In knapp zwei Wochen wird die A 7 in Stellingen ein Wochenende lang komplett gesperrt. Für die Ingenieure beginnt dann ein Wettlauf mit der Zeit.

Stellingen. Noch rollen hier auf sechs Spuren Autos und Lkw vorbei. Ein ewiger Strom, mal schnell, mal langsam und mal im Schritttempo, wenn der Elbtunnel dicht ist: Die A 7 bei Stellingen gilt als eine der meistbefahrenen Strecken der Republik. An den lärmenden Grundton haben sich die Männer in den blauen Baucontainern dort mittlerweile gewöhnt. Seit Januar schon hat die Arbeitsgemeinschaft "Eisenbahnüberführung Stellingen" hier im Niemandsland an der Autobahn ihre Baustelle. Die schweren Stahlteile der neuen Brücke sind bereits zusammengeschweißt. Nun liegt die Bogenkonstruktion fast fertig direkt neben der Straße. In zwei Wochen wird sie der Grund sein, dass hier ausnahmsweise einmal Stille herrscht. Für 56 Stunden werden die A 7 und für 71 Stunden die darüberführende Güterbahnverbindung voll gesperrt. In weiten Umleitungen muss der Verkehr diesen Engpass umfahren.

"Sperrpause" heißt das im Branchenjargon der Brückenbauer. Für sie selbst aber ist es alles andere als eine Pause: 71 Stunden haben sie dann nur Zeit, um die fertige Brücke in ihre endgültige Position zu bringen.

+++ Autobahn 7 wird für ein Wochenende voll gesperrt +++

71 Stunden, um ein 350 Tonnen schweres und gut 50 Meter langes Stahlteil über eine Distanz von gut 150 Metern zu bewegen und fest zu installieren. Alles muss passen, nichts darf passieren, jede Minute ist genau geplant. "Und trotzdem wird's wieder spannend", sagt Oberbauleiter Andreas Tegtmeier. Der 51-jährige Ingenieur aus Hannover sitzt in einem der blauen Bürocontainer an einem breiten Schreibtisch. Gemeinsam mit Polier Frank Wickert, 40, und Bauleiter Sven Wichmann, 29, beugt er sich über einen großen farbigen Zeitplan: An der Seite des Papiers sind die Stunden und Minuten gezeichnet, farbige Blöcke kennzeichnen jeden einzelnen Arbeitsschritt.

+++ Die Vollsperrung der A 7 +++

Die drei Männer in den orangefarbenen Jacken sind bei der Wiebe-Gruppe beschäftigt, einem mittelständischen Unternehmen aus Achim bei Bremen. Wiebe gilt als Spezialist für komplizierte Aufträge, die mit Schienenstrecken und Eisenbahnen zu tun haben. Selbst im Eisenbahn-MiniaturWunderland in der Speicherstadt ist es eine Wiebe-Figurentruppe, die dort Gleise baut.

Draußen in der realen Welt baut das Unternehmen die neue Brücke für die zentrale Güterbahn-Umgehungsstrecke, die im Bogen um das nördliche Hamburg verläuft, zusammen mit einer Stahlbaufirma aus Dessau. Auftraggeber für das 2,2-Millionen-Euro-Projekt ist die bundeseigene Planungsgesellschaft Deges. Die neue Brücke ist praktisch ein Vorgriff auf den späteren Ausbau der A 7 auf acht Spuren und den künftigen Deckel darüber. In Dessau wurde der Brückenbogen vormontiert, kam dann in einzelnen Teilen per Schwertransport zur Baustelle. Parallel arbeiteten Wiebe-Mitarbeiter an den neuen Betonlagern. Widerlager heißen die grauen Blöcke, die direkt hinter die Widerlager der alten Brücke gebaut wurden.

Wenn die 71 Stunden Sperrpause am Freitag, 23. März, beginnt, soll diese alte, 34 Meter lange Brücke mit einem 700-Tonnen-Mobilkran aus ihrer Position gehievt werden. Sie wird vor Ort zerlegt und kommt später in den Einschmelzofen, erklärt Oberbauleiter Tegtmeier.

Dann muss der Kran wieder abgebaut werden, und für die Männer, die im Zweischichtsystem rund um die Uhr arbeiten werden, beginnt der spannendste Part dieser 71 Stunden: Sie müssen die neue Brücke in die vorgesehene Position bringen. Ein Job, den die Wiebe-Leute bereits mehrfach gemacht haben. "Aber an einer so großen Straße wie der A 7 - das ist schon ein Highlight", sagt selbst ein erfahrener Ingenieur wie Tegtmeier.

+++ Menschlich gesehen: Brückenbauer +++

Mit Hydraulikpressen soll die Stahlkonstruktion neben der Autobahn zunächst auf ihre künftige Höhe von 4,50 Metern hochgepumpt werden. Dann kommen zwei Spezialfahrzeuge zum Einsatz: sogenannte Kamags. Vergleichbar mit Rollbrettern, wie man sie zum Klaviertransport kennt. Nur vielfach größer und mit jeweils eigenen PS-starken Dieselantrieben. So soll der Brückenbogen mit einer Drehung zunächst quer auf die Autobahn geschoben werden. Den Untergrund der 3500 Quadratmeter großen Baustelle haben die Männer dazu präpariert, meterdick mit festem Material aufgefüllt, damit die Massen nicht versinken. Die späteren Positionen und Längen sind bereits exakt auf den Millimeter genau vermessen worden. "Das passt", sagt Tegtmeier sicher. Und es muss auch passen: Denn gerade eine Sperrung der Güterbahn lässt sich nicht einfach verschieben: Schon gut drei Jahre vor der eigentlichen Aktion musste sie angemeldet werden: Zeit, um Fahrpläne umzustellen, Güterzüge umzuleiten, mit dem Personenverkehr abzugleichen. "Da darf nix passieren", sagt Tegtmeier.

Mit den Kamags soll die neue Brücke samt einem drangehängten neuen Fußweg exakt bis knapp über die Widerlager "verfahren" werden, wie es auf der Baustelle heißt. Dann wird sie abgesenkt. Schließlich bleibt nur noch wenig Zeit, die neuen an die alten Gleise anzuschließen, den Schotter zu verlegen, die Autobahn wieder betriebsbereit zu machen. Damit am Montagmorgen dann alles wieder rollen kann - auf und über der Autobahn 7 in Stellingen.