"Whistler" am Johanniswall

Schneiden, legen, Sport gucken im Männer-Beauty-Salon

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Björn Jensen

Beim Herrenfriseur "Whistler" am Johanniswall können sich die männlichen Kunden während einer Schönheitsbehandlung Sport anschauen.

Hamburg. Eigentlich ist es ganz einfach, das schwache Geschlecht zufriedenzustellen. Man nehme einen Großbildschirm, auf dem Sport zu sehen ist, ein kühles Bier, serviert von einer hübschen jungen Frau in ansprechend knappem Outfit, und schon ist Mann glücklich. Dass dieses Klischee tatsächlich auf viele Männer zutrifft, beweist die Anzahl an Sportbars auf der ganzen Welt. Heiko Augustin und Detlef Hammer hatten aber keine Lust, einfach nur eine Kneipe zu eröffnen, als sie sich Anfang vergangenen Jahres Gedanken darüber machten, wie sie Hamburgs Männern das Leben verschönern und damit auch noch Geld verdienen könnten. Und so entstand eine Idee, die in Deutschland ihresgleichen sucht.

Unter dem Namen "Whistler“ eröffnete das Duo vor zweieinhalb Monaten am Johanniswall unweit des Hauptbahnhofs den "Friseur, von dem Männer immer geträumt haben“. Es ist der erste reine Herrensalon, der neben Haarschnitten und umfangreichen Kosmetikanwendungen die Möglichkeit bietet, während der "Behandlung“ Sport zu schauen. An jedem der sechs Plätze ist ein eigener LCD-Bildschirm angebracht, im Eingangs- und Barbereich flimmert ununterbrochen Sportfernsehen auf einer Großbildleinwand. Auf den Tischen liegen "Playboy“ und "Men’s Health“ statt "Gala“ und "Bunte“. Wände und Regale sind geschmückt mit Devotionalien aus verschiedenen Sportarten, der Teppich im Arbeitsbereich ist einem Fußballfeld nachempfunden. Die Friseurinnen, die sich "Whistler Girls“ nennen, tragen in Anlehnung an den Firmennamen – whistle ist das englische Wort für pfeifen – eine figurbetonte Schiedsrichter-Uniform. Auf Wunsch servieren sie den Kunden Getränke, die im Preis inbegriffen sind.

Augustin, 44, der als Investor verschiedenste Projekte finanziert, hatte ursprünglich geplant, eine Lizenz der US-Kette Hooter’s für Norddeutschland zu erwerben. In Amerika sind die Burger-Restaurants mit den leicht bekleideten Kellnerinnen Treffpunkt für Familien und vergnügungswillige Männer gleichermaßen. In Deutschland floppte das Konzept jedoch, gleichzeitig waren die Lizenzen so teuer, dass Augustin Abstand von seinem Plan nahm und stattdessen seinen Geschäftspartner um kreative Hilfe bat. Hammer, 41, ist Geschäftsführer der Veranstaltungsagentur HSE, die unter anderem das Tennisturnier am Hamburger Rothenbaum ausrichtet. Gemeinsam beschloss das Duo, eine Wellnessoase für Männer aufzubauen, die wie sie selbst Wert auf das Aussehen legen, aber herkömmlichen Friseursalons nichts abgewinnen können und niemals einen Fuß in ein Beautycenter setzen würden.

"Friseurbesuche“, sagt Hammer, "waren immer Horror für mich. Dieser Kittel, der nach billigem Haarspray riecht, und dann die abgeschnittenen Haare im Nacken, die den ganzen Tag kratzen. Furchtbar!“ Augustin musste beim Friseur als Kind sogar stets ein Handtuch vor seine Augen halten, "weil ich panische Angst davor hatte, dass mir Haare in die Augen kommen“. Mit diesen Sorgen, weiß Christina Stoll, sind die beiden nicht allein. "Es gibt viele Männer, die Friseure hassen, aber nicht zugeben würden, dass sie sich die Augenbrauen zupfen oder Maniküre mögen. Für die ist "Whistler" die Lösung“, sagt sie. Die 26-Jährige ist seit 1.Februar Geschäftsführerin im "Whistler“ und leitet das Team, das neben ihr noch zwei weitere Friseurinnen umfasst.

Das Grooming, wie in den USA die Schönheitspflege genannt wird, sei bei Männern ein Markt mit Riesenpotenzial, der in Deutschland gerade erst entdeckt werde. In jedem der vier Haarschneide-Programme ist deshalb im „Whistler“ eine Kopf- und Handmassage enthalten, die allerdings auch, wie diverse Schönheitsbehandlungen, einzeln buchbar sind. „Wir wollen, dass Männer, die zu uns kommen, das Gefühl haben, sich eine Stunde völlig entspannen und trotzdem einen Pflichttermin erledigen zu können“, sagt Hammer.

Dazu trage vor allem das Angebot bei, während der Behandlung Sport schauen zu können. "Gerade für Männer, die nicht gern viel reden, ist das perfekt“, sagt Augustin. Christina Stoll hat allerdings festgestellt, dass die meisten Männer durchaus gern erzählen, vor allem über Privates wie die eigene sportliche Karriere. Fachgespräche sind dagegen kaum erwünscht. Zwar wurde beim Einstellungstest neben der fachlichen Qualifikation und dem äußeren Erscheinungsbild auch darauf geachtet, dass die Damen wissen, wie viele Spieler eine Fußballmannschaft hat, "aber am wichtigsten ist, dass sich die Männer ernst genommen fühlen“, sagt Stoll, die früher in gemischten Salons arbeitete und an ihrem neuen Wirkungsfeld vor allem schätzt, "dass Männer nicht so kompliziert sind wie Frauen, die sich dreimal umentscheiden, während man schneidet.“

Bislang haben Hammer und Augustin ihr neues Geschäft lediglich über Facebook beworben, 400 Freunde zählt ihre Seite dort bereits. Da die Testphase mit dem 270 Quadratmeter großen Laden am Johanniswall bislang erfolgversprechend läuft, sind weitere Salons in Hamburg in Planung. Eimsbüttel und Barmbek sind als Standort im Visier, mindestens fünf "Whistler“-Läden sollen es werden, bevor die Idee bundesweit im Franchise-System umgesetzt wird.

Durch eine Kooperation mit dem Internetportal "Blog trifft Ball“, dessen Redakteure als Untermieter im Obergeschoss residieren, hat "Whistler“ Zugang zur Hamburger Amateurfußballszene bekommen. Nach und nach sollen weitere Sportarten eingebunden werden. Mannschaftsabende können dann ebenso beim Friseur stattfinden wie Junggesellenabschiede, für die es das "Hangover“-Paket inklusive Hotdogs und Bier satt sowie Shuttleservice zum Kiez gibt, oder Geburtstagsfeiern, die die Gäste perfekt gestylt beenden statt beginnen.

Und auch das starke Geschlecht soll nicht außenvor bleiben müssen. Einmal im Monat ist ein "Sex and the City“-Abend geplant, dann gibt es statt Sport die beliebte TV-Serie und Prosecco statt Bier – ein wichtiger Beitrag zur Kundenbindung, denn: "Zu uns kommen viele Männer, deren Frauen unseren Laden gesehen und ihren Mann dann hergeschickt haben, weil sie glaubten, das sei genau das Richtige“, sagt Stoll. Letztendlich sind es eben doch die Frauen, die am besten wissen, was ihre Männer glücklich macht.

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