Bringt Ikea die Wiederbelebung oder nur mehr Verkehr? Uwe Szczesny (CDU) diskutiert mit Christoph Twickel (Voksinitiative gegen Ikea).

Hamburg. Im Eiscafé Venezia fällt der Blick durch die großen Fenster auf den Frappant-Klotz an der Großen Bergstraße in Altona. "Etwas Besseres als Ikea", steht dort auf einem großen Plakat. Im Café selbst wird für ein neues Ikea-Gebäude geworben. Sinnbild für den Streit im Bezirk um die geplante Ansiedlung, die jetzt durch einen Bürgerentscheid geklärt wird. Bei Milchkaffee diskutieren CDU-Bezirksfraktionschef Uwe Szczesny und der Sprecher der Anti-Ikea-Initiative Christoph Twickel über die Pläne, die das Frappant-Gebäude durch das Möbelhaus ersetzen soll.

Abendblatt: Herr Twickel, warum mögen Sie Ikea nicht?

Twickel: Wir haben nichts gegen Ikea an sich, wir kritisieren die Ansiedlung an diesem Standort.

Abendblatt: Sie wollen ein Möbelhaus lieber am Stadtrand?

Twickel: Das Geschäftsprinzip von Ikea basiert darauf, dass dort sehr viele Menschen sehr lange bleiben. Man geht rein, um ein Billy-Regal zu kaufen - und kommt raus mit zwei Dutzend Kaffeebechern ...

Abendblatt: Klingt nach eigener Erfahrung.

Twickel: Ja, natürlich, unter eineinhalb Stunden kommt man da nicht raus. Das ist eine eigene Welt, ein Konsum-Ufo! Was bringt das dem Stadtteil außer viel Verkehr?

Abendblatt: Herr Szczesny, Ikea bringt also nichts für Altona?

Szczesny: Das sehen wir anders: Ikea bringt Belebung in diese Einkaufszone. Wir haben hier an der Großen Bergstraße ja eher einen Einkaufsbereich und keinen Wohnbereich. Das ist schon immer so gewesen. Karstadt hat hier vor ungefähr sechs Jahren aufgehört. Ikea bringt die Leute wieder hin.

Abendblatt: Was ist dagegen einzuwenden, Herr Twickel?

Twickel: Wir sehen diesen Ort als vital für den Stadtteil an. Wir brauchen dafür ein soziales und kulturelles Zentrum, keinen Megastore. Die Erfahrung anderer Städte zeigt doch, dass man damit keinen Stadtteil beleben kann.

Szczesny: Es ist ja richtig, dass dieser Stadtteil eine Aufwertung verdient. Und dass wir hier ein soziales und kulturelles Zentrum bekommen - das wollen wir auch erreichen. Die Frage ist aber, ob man dies an der Großen Bergstraße machen soll oder an anderer Stelle. Nach unserer Auffassung ist diese Straße nicht nur wichtig für den Stadtteil, sondern als zentrale Einkaufsstraße darüber hinaus für ganz Altona. Ein Bezirkszentrum eben - und das soll die Straße wieder werden, wozu Ikea ein wesentlicher Ankerpunkt wäre. Auch wenn es noch viele Fragen gibt, die aufgearbeitet werden müssen, damit die Beeinträchtigung der Anwohner nicht zu groß wird.

Abendblatt: Wenn man die Plakate der Ikea-Gegner liest, drängt sich der Eindruck auf, Ikea wird auch noch zu steigenden Mieten und Verdrängung im Stadtteil führen. Ist das nicht übertrieben?

Twickel: Wir wissen: Gewerbemieten gehen rauf, wenn große Magneten kommen. Kleinere, inhabergeführte Läden müssen damit rechnen, wenn Ikea kommt. Ich habe schwer die Vermutung, dass die Einzelhändler, die sich jetzt für Ikea einsetzen, hinterher die Gekniffenen sind. Und wir wissen von Anwohnern, dass jetzt schon die Mieten steigen, seitdem Ikea die Ansiedlung hier plant.

Szczesny: Verdrängung im Wohnungsmarkt darf es natürlich nicht geben. Wir streben daher für Altona-Nord und Altona-Altstadt eine soziale Erhaltungssatzung an, um Mietsteigerungen zu verhindern.

Twickel: Das höre ich zum ersten Mal.

Szczesny: Bei Gewerbemieten ist das etwas anderes, da kann natürlich ein solcher Effekt eintreten. Aber wenn ich mir das Beispiel Mercado auf der anderen Seite an der Ottenser Hauptstraße anschaue, sehe ich auch etwas anderes. Die kleinteiligen Geschäfte sind dort geblieben. Sie mögen zum Teil höhere Mieten haben, aber durch den Magneten auch höhere Umsätze.

Twickel: Sowohl in Ottensen als auch in der Schanze sind kleine Betriebe von Ketten verdrängt worden. Wir schlagen daher für das Frappant ein kulturelles, aber auch gewerbliches Zentrum vor.

Abendblatt: Wer soll so etwas bezahlen? Es gab doch schon einmal Überlegungen, ein Zentrum dort zu entwickeln, es fand sich aber kein Investor.

Twickel: Das Problem ist der hohe Kaufpreis und ein erheblicher Renditedruck.

Abendblatt: Der Schätzpreis für das Frappant ist nach dem Scheitern vieler Investoren schon jetzt auf wenige Millionen gesunken.

Szczesny: Auf drei Millionen. Um es noch einmal zu verdeutlichen: Der Stadtteil erlebt keinen Niedergang, es geht um den Niedergang in dieser Straße. Und mit dem Leerstand im Frappant-Gebäude ist eine Situation entstanden, die diese Entwicklung verschärft. Im Übrigen gibt es natürlich unterschiedliche Auffassungen, wann der Staat eingreifen darf. Wir meinen, dass bei privaten Grundstücken, bei dem eine Nachfrage wie hier vorhanden ist, der Staat nicht eingreifen soll. Insgesamt vier Investoren samt Ikea haben sich seit 2003 dort versucht. Die K-Werkstatt wollte zuletzt einen Branchenmix und Wohnungen realisieren - das hat aber nicht funktioniert. Ikea ist die bessere Alternative.

Twickel: Hier sollte man etwas Kleinteiliges planen. Die K-Werkstatt ist am zu hohen Kaufpreis gescheitert. Ohne diesen Renditedruck, beispielsweise als Genossenschaft, könnte man aber etwas Sinnvolles für den Stadtteil entwickeln. Bezirk und Stadt hätten hier die Chance, ein Pilotprojekt zu entwickeln: ein Haus, in dem kleines Gewerbe, soziale Einrichtungen, Ateliers und Werkstätten, ein Kinderspielplatz auf dem Dach und ein Seniorentreff Platz hätten. Und nicht etwas, das nur Verkehr anzieht.

Szczesny: Ohne Zweifel zieht Ikea mehr Verkehr an - aber es geht darum, ob es dann zum Verkehrskollaps kommt. Aber da hat es eine Untersuchung durch ein renommiertes Gutachterbüro gegeben. Und danach können die vorhandenen Straßen den Verkehr gut aufnehmen.

Abendblatt: Es gibt da den großen Streitpunkt: Kommt für Ikea nun ein Autobahnzubringer, wie die Ikea-Gegner behaupten?

Twickel: Herr Szczesny hat noch im März letzten Jahres dem "Handelsblatt" erklärt, dass eine neue Stichstraße von der A 7 zu Ikea führen soll.

Szczesny: Eine Stichstraße ist kein Autobahnzubringer.

Twickel: Aber so wurde es zitiert. Ich finde es unglaublich, wie Sie das hier abstreiten.

Szczesny: Ich finde es ebenso unglaublich, was Sie hier behaupten: Ich habe nie gesagt, dass eine Stichstraße von der Autobahn zu Ikea gebaut werden soll.

Twickel: Dann müssten Sie mal dem "Handelsblatt" eine Gegendarstellung schicken.

Szczesny: Nein, die Stichstraße, von der wir hier sprechen, ist eine Straße, die von der Autobahnabfahrt Volkspark zur Plöner Straße führen könnte, um irgendwann den einmal nach Diebsteich verlegten Fernbahnhof anschließen zu können. Später könnte man sie zu dem geplanten neuen Wohngebiet auf der jetzigen Güterbahnfläche weiterführen. Das hat aber nichts mit Ikea zu tun.

Twickel: Tatsache ist: Wenn Ikea kommt, fahren täglich Tausende zusätzliche Autos durch das Wohngebiet. Warum kann man den Möbel-Discounter nicht gleich im Gewerbegebiet an der Autobahn ansiedeln; Ikea hatte doch selbst diesen Wunsch?

Szczesny: Das geht nicht. Dort will der Senat nur produzierendes Gewerbe ansiedeln.

Twickel: Aber für das technische Kaufhaus Brinkmann ging es doch auch.

Szczesny: Das war ein Deal, dafür wollte Brinkmann in Altona an der Großen Bergstraße ein zweites Haus bauen - was aber nie geschehen ist.

Twickel: Sehen Sie, es ging aber.

Szczesny: Aber nur auf einem Areal. Auf dem Abschnitt, wohin Ikea wollte, ging es aber nicht.

Twickel: Wenn etwas politisch wirklich gewollt ist - dann doch.

Szczesny: Stimmt wohl.