Hamburg. VEEK-Präsidiumsmitglied Reinhold von Eben-Worlée sagte zum Abschluss vor 2400 Gästen, ein ehrbarer Kaufmann verkaufe seine Kunden „nicht für dumm, wie es der Senat nach dem Volksbegehren gegen die Schulreform getan hat“.
Bürgermeister Ole von Beust (CDU), der während der Veranstaltung kein Recht auf eine Erwiderung hatte, zeigte sich verärgert. „Das war taktlos“, sagte er der Zeitung. Die Verein VVEK müsse sich überlegen, ob das der richtige Stil für so eine Veranstaltung sei.
Auch die Führungsspitze der Handelskammer bedauerte die Worte Eben-Worlées. Das sei nicht ihre Meinung. Präses Frank Horch hatte zuvor eine „fast unheimliche Harmonie“ im CDU/GAL-Senat konstatiert, sich jedoch erneut sehr kritisch mit der geplanten Schulreform auseinander gesetzt. Als Alternative dazu präsentierte er einen Vier-Punkte-Plan für einen Schulfrieden in Hamburg
Die umstrittene Schulreform des CDU-GAL-Senats müsse nicht auf die Frage der Schulform, sondern auf die der Qualität im Klassenzimmer ausgerichtet werden, sagte Horch in seiner Jahresschlussansprache bei der „Versammlung eines Ehrbaren Kaufmanns zu Hamburg“. Denn der erste Bericht der Schulinspektion belege: „Nur rund fünf Prozent der Qualitätsunterschiede in Hamburg lassen sich auf die Schulform zurückführen.“
DIE JAHRESSCHLUSSANSPRACHE: DAS REDEMANUSKRIPT IM WORTLAUT
Rund 2400 Kaufleute, Vertreter des öffentlichen Lebens und fast der gesamte Senat folgten seinen Ausführungen in der Handelskammer. Die Reform sieht im Kern vor, dass aus der vierjährigen Grund- eine sechsjährige Primarschule wird. Als weiterführende Schulen, die dann erst in Klasse sieben ansetzen, gibt es nur noch das Gymnasium und die Stadtteilschule, die aber auch zum Abitur führen kann.
Das sind die vier Punkte, mit denen die Handelskammer alternativ eine Verbesserung der Qualität erreichen will:
Erstens fordert Präses Horch eine bessere Fortbildung der Lehrer und deren regelmäßige Beurteilung, die Erhöhung der Inspektionsdichte der Schulen und die Einführung eines Benchmarking (Vergleiche auf Basis fester Maßstäbe) zwischen den Schulen und Schulklassen.
Zweitens plädierte Hamburgs oberster Wirtschaftsvertreter dringend dafür, die Reformpläne zeitlich zu entzerren. Veränderungen dürften nur dort stattfinden, wo alle Vorbereitungen abgeschlossen seien.
Drittens schlägt der Handelskammer-Präses vor, dass die weiterführenden Schulen die Inhalte der Klassenstufen 5 und 6 mitbestimmen und mitgestalten sollten. Das würde individualisierten Unterricht und andere Profilbildungen ermöglichen. Geradezu spöttisch fügte er an Schulsenatorin Christa Goetsch (GAL) gewandt hinzu: „Eine Schule, die diese Bedingungen erfüllt, können Sie gern Primarschule nennen.“
Als vierten Punkt seines Plans für den Schulfrieden nannte Horch die Schaffung „echter“ Ganztagsschulen mit geregeltem Mittagessen und Hausaufgabenbetreuung. Das würde Jugendlichen mit Migrations- oder bildungsfernem Hintergrund ebenso helfen wie Frauen bei der Vereinbarkeit von Kind und Karriere.
In Sachen Schulpolitik liegen Handelskammer und Senat seit langem über Kreuz. Beim „Ehrbaren Kaufmann“ Ende vergangenen Jahres hatte Horch gar offen an CDU und GAL appelliert, die Reform zu stoppen. Nachdem die Volksinitiative „Wir wollen lernen“ 184.500 Unterschriften gegen die Einführung der Primarschule vorgelegt hatte, hatte er erneut gefordert, nicht die Schulstruktur, sondern vielmehr die Qualität des Unterrichts in den Mittelpunkt zu stellen. Auch für seine kritischen Töne in diesem Jahr erhielt er mehrfach Applaus von den „ehrbaren Kaufleuten“ und den anderen Gästen. Eine Erwiderung der Politik erfolgt traditionell nicht.
In seiner Jahresbilanz forderte der Präses außerdem, die Universität nicht in den Hafen zu verlagern. Sie brauche zwar Anschluss an die Spitze, aber nicht ans seeschifftiefe Wasser am Kleinen Grasbrook. Stattdessen warb Horch für den von der Handelskammer vorgeschlagenen Alternativ-Standort Klostertor.
In seinen Ausführungen zur Hafenpolitik begrüßte Horch das „Preissignal“, das alle Akteure ausgesendet hätten. „Diese konzertierte Aktion hat bewiesen, dass unser Hafen gerade in Zeiten der Krise Einigkeit und Handlungsfähigkeit beweist.“ Hinzukommen müsse jedoch die zügige Umsetzung der Fahrrinnenanpassung der Unterelbe. Horch: „Die eingetretene Verzögerung bis zum Jahr 2011 muss das letzte Wort in dieser Sache gewesen sein!“ Weitere Prioritäten bei der Infrastruktur hätten aus Sicht der Wirtschaft der Bau der Hafenquerspange und der Y-Trasse (Eckverbindung Hannover/Hamburg/Bremen) im Schienenverkehr
Mehr Artikel aus dieser Rubrik gibt's hier: Hamburg