Zum Jahreswechsel formt man sie aus Marzipan und steckt ihnen ein Kleeblatt in die Schnauze, damit sie Glück bringen. Wenn sie hart werden und ungenießbar, werden sie entsorgt - Pech für sie. Ihre lebenden Artgenossen landen im Kühltresen des Schlachters und später auf unseren Tellern. Darüber hinaus spielt das Schwein in unserem Alltag in Redewendungen eine gewichtige Rolle - ob "Perlen vor die Säue werfen", "innerer Schweinehund" oder "die Sau rauslassen". Das Ansehen der Schweine bewegt sich zwischen Glücksschwein und Drecksau und ist sehr ambivalent.
Der Hamburger Holger Matthies hat vor 40 Jahren seine Liebe zu den rosigen Tieren entdeckt, "die dem Menschen so ähnlich sind", wie er sagt. In seiner Wohnung und seinem Atelier an der Wrangelstraße hat der 69-Jährige über die Jahrzehnte zahlreiche Schweine-Sammlerstücke angehäuft. Nun drängt seine "Sauerei" an die Öffentlichkeit. Der Professor für visuelle Kommunikation stellt 800 seiner ungezählten Exponate im Schwedenspeicher in Stade aus. "Schöne Schweinerei. Vom Rüssel bis zum Ringelschwanz", heißt die Ausstellung, die Mittwochabend eröffnet wird. Er hat die Sammlung thematisch geordnet und führt dem Besucher mit viel Gestaltungswitz vor Augen, wie sich die Tiere in vielen Kulturkreisen, von China bis Mexiko, mit all den Widersprüchlichkeiten etablieren konnten. "Es geht um Kitsch und Krempel, aber auch um echte Kunst", betont der Sammler, der seine Stücke aus der ganzen Welt zusammengetragen hat. Durch seine Arbeit kommt der international renommierte und preisgekrönte Plakatgestalter viel herum. "Vor allem in Asien wird man noch immer fündig, weil das Schwein im Tierkreiskalender eine wichtige Rolle spielt. Deshalb gibt es Schweine dort in allen Varianten." So hat er ein "Kapitalistenschwein" dort gekauft, eine Figur, die auf einem Haufen von Münzen hockt. "Mit diesem Ausdruck diffamieren wir aber die Schweine", findet er. Matthies legt auch gern selbst Hand an, um seine Ideen zu verwirklichen. So wie beim "Stachelschwein", das er extra für die Stader Schau angefertigt hat. Einem Tonschwein klebte er echte Rosendornen auf den Rücken, "hier, sehen Sie mal, meine Hände sind noch immer blutig", sagt der Mann, dessen linke Augenbraue immer ein wenig listig nach oben steht.
Besonderen Spaß macht es ihm, bekannte Redewendungen umzusetzen. "Perlen vor die Säue werfen" beispielsweise. Dazu hat er drei Schweine in ein Glas gesetzt und ihren Trog mit Plastik-Perlen, wie sie kleine Mädchen gern auffädeln, gefüllt.
Es gibt wenig, was es nicht in Schweinegestalt gibt: Toaster, rosa Hausschuhe mit Ferkelgesicht, Kannen und Aschenbecher, Briefmarken, Porzellanbecher mit kopulierenden Tieren und jede Menge Schweinefiguren im Jägerhabit oder als Kegelbrüder. Sie wurden früher gern verschenkt und verbargen im Inneren Schnaps. Dutzende bunter Kuscheltiere hat Matthies zum "Sauhaufen" aufgetürmt.
Auch ein "Bullenschwein" und ein "Stasischwein" hat er gestaltet. Die Köpfe bekamen einen Rüssel, der Polizist einen schleswig-holsteinischen Tschako, der DDR-Polizist eine verspiegelte Brille und eine Mütze. Das "Nazischwein" ist ein Sparschwein mit Hakenkreuz.
"Es ist eine Lockerungsübung für meinen richtigen Beruf", erklärt Matthies diese Arbeiten. Sollten seine Wohnung und sein Atelier eines Tages im Schweine-Sammelsurium versinken, "dann muss noch eine Wohnung her", sagt er grinsend. Die Quintessenz der Schweinerei laut Holger Matthies: "Es gibt sie in allen Kulturkreisen, und es gibt nichts, was es nicht gibt." Und noch eines ist gewiss: Die "Schöne Schweinerei" entlässt einen fröhlich gestimmt.
Schöne Schweinerei. Vom Rüssel bis zum Ringelschwanz. Geöffnet 24. April bis 2. August, Di-Fr 10-17 Uhr, Sa u. So. 10-18 Uhr, Mo geschlossen. Eintritt: Erwachsene 3 Euro, Kinder 1,50 Euro, Schwedenspeicher, Wasser West 39, 21682 Stade, Tel.: 04141/32 22. www.schwedenspeicher.de
Mehr tierische Bilder sehen Sie unter www.abendblatt.de/schweine
Mehr Artikel aus dieser Rubrik gibt's hier: Hamburg