Historie

Die Geschichte von Hamburgs vergessenem Schloss

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Matthias Schmoock
Das Ölgemälde des Hamburger Künstlers Gustav Marx zeigt den längst untergegangenen

Das Ölgemälde des Hamburger Künstlers Gustav Marx zeigt den längst untergegangenen

Foto: Klaus Bodig / HA / Klaus Bodig

Vor 150 Jahren starb Bernhard Donner. Sein riesiger, 1854 erbauter Landsitz thronte noch bis 1949 über der Elbe. Eine Spurensuche.

Ottensen. Am östlichen Ende der Straße Neumühlen steht versteckt ein alter Zierbrunnen. Eingemauert und ziemlich zugewachsen, kann man ihn leicht übersehen. Was viele nicht wissen: Der ausgetrocknete Wasserspender erinnert wie einige Treppen und Mauerreste an einen gigantischen Landsitz, der einst auf dem darüberliegenden Hang seinen Platz hatte. Der Ausgangspunkt einer Spurensuche.

Oberhalb des Brunnens ist das Gelände hügelig – mal verlaufen die Wege ansteigend oder fast waagerecht, dann fallen sie wieder steil ab. Das Areal bildet den Donner-Park – ein Name, der den meisten Hamburgern kaum geläufig sein dürfte. Mitten im Park stand einst, mit Weitblick über die Elbe, das Donner-Schloss – ein Anwesen wie aus dem Märchen.

Rückblick. Der 1774 geborene Unternehmer Conrad Hinrich Donner hatte es in Altona durch Mut und harte Arbeit zu großem Wohlstand gebracht. Um den sparsamen, unglaublich arbeitsamen Donner ranken sich viele kuriose Geschichten. So schickte er aus seinem Neumühlener Wohnsitz täglich einen reitenden Boten in die Stadt, um Post und Geschäftsunterlagen holen zu lassen. Jeden Abend um 22 Uhr musste der zurückgekehrte Reiter dann Meldung machen.

Am 1. Januar 1798 hatte Donner ein Bankunternehmen gegründet, das binnen weniger Jahrzehnte Weltruf erlangte. Der Bankier und Spekulant bezeichnete sich bis zu seinem Tode aber schlicht als Kaufmann. Die Familie residierte lange in einem stattlichen Anwesen in Neumühlen, das Donner 1820 von der Familie Sieveking erworben hatte.

Nachdem Conrad Hinrich Donner im Januar 1854 nach einigen ausgedehnten Neujahrsbesuchen überraschend gestorben war, fackelte sein Sohn nicht lange. Der 1808 geborene „Etatsrat“ Bernhard Donner, der ein riesiges Vermögen erbte und obendrein mit der reichen Erbin Helene Schröder verheiratet war, wollte offenbar klotzen statt zu kleckern.

Er ließ sein Elternhaus noch im Jahr 1854 abbrechen und bestellte den bekannte Berliner Baumeister Johann Heinrich Strack ein. Der Schinkel-Schüler zeichnete unter anderem auch für das Babelsberger Schloss und die Berliner Siegessäule verantwortlich.

1858, nach rund dreieinhalbjähriger Bauzeit, war das riesige Wohnhaus im Stil der Tudor-Gotik fertig, das wegen seiner großen Ausmaße im Volksmund nur noch Donner-Schloss genannt wurde. Auch Bernhard Donner selbst soll seinen neuen Wohnsitz so bezeichnet haben. Drumherum erschloss sich eine grüne Zauberwelt, die allen Besuchern Respekt einflößte. Neben plätschernden Kaskaden verfügte das Anwesen später sogar über einen Wasserfall, der von einer Hängebrücke überspannt war. Kurios: Die siebenköpfige Familie wohnte während der Wintermonate in einem großen Stadthaus an der Palmaille 31. Das neue Schloss, das sie vor allem als Sommerresidenz nutzte, lag nur weniger als einen Kilometer davon entfernt.

Der Sohn verkaufte das Schloss an die Stadt Altona

Preußischer Baustil in Altona – damit wollte Donner auch politische Überzeugungen ausdrücken, wie es in der Chronik des Bankhauses Donner & Reuschel heißt. Für ihn lag die Zukunft nicht im dänischen Königreich (zu dem Altona damals ja noch gehörte), sondern in einem deutschen Nationalstaat unter preußischer Führung. „Mit dem ,Donner-Schloss’ demonstrierte er, dass er beste Kontakte zu den Hohenzollern hatte und dass mit ihm zu rechnen war, wenn es um eine preußenorientierte politische Zukunft gehen würde. Dass Altona dann tatsächlich preußisch wurde, erlebte Bernhard Donner aber nicht mehr. Nach seinem Tode im Jahr 1865 führte Witwe Helene das große Anwesen noch lange alleine weiter. Die „Etatsrätin“ galt als Wohltäterin, die unter anderem das ­Altonaer Helenenstift und die Helenenkapelle spendierte. Zu den vielen Gästen, die im Schloss beherbergt wurden, gehörten unter anderem Kaiser Wilhelm I und der Feldmarschall Helmuth von Moltke. Josepha, die Tochter des Malers Wilhelm von Kaulbach, beschrieb das Ganze als einen Feenpalast, in dem eine Schar von Bediensteten „in grünen, kurzen Atlasbeinkleidern“ herumschwirrte.

Doch in Neumühlen war es im Zuge der Industrialisierung immer ungemütlicher geworden, und Helene Donners Sohn, der auch Conrad Hinrich hieß, zog das Leben auf dem Land vor. Nach Helenes Tod im Jahr 1911 verkaufte er das Schloss an die Stadt Altona. Im Zuge der Altonaer Gartenbauausstellung wurde das Gelände 1914 zum öffentlichen Park, im Schloss brachte man unter anderem die Handwerks- und Gewerbeschule unter.

Das Ende des skurril-fantastischen Baus ist schnell erzählt. Nach Bombentreffern im Jahr 1943 blieb die Ruine des einst stattlichen Anwesens noch bis 1949 stehen, dann wurden die Reste gesprengt. Mit den Trümmern füllten Arbeiter den neben dem Schloss liegende Mühlenteich auf, der heute nur noch eine Rasenfläche ist.

Dokumente werden bei Treffen mit internationalen Kunden ausgestellt

Mehr Bestand hatte das geschäftliche Erbe. Seit 1872 firmiert die Bank Conrad Hinrich Donner bereits in Hamburg. Zunächst lag sie am neuen Wandrahm, danach an der Gröninger­straße, mittlerweile am Ballindamm. Im Jahr 2009 fusionierte sie mit der Münchener Privatbank Reuschel & Co und heißt seitdem Donner & Reuschel. In einem Konferenzraum hoch über der Binnenalster hängt ein großes Ölgemälde, das den längst untergegangenen Wohnsitz der Familie Donner am Elbhang zeigt. Vorstandssprecher Marcus Vitt nimmt sich Zeit, um weitere Schätze aus dem Firmenarchiv zu zeigen.

In zahlreichen Kassetten schlummern Urkunden, Briefe, in Leder gebundene „Bilancen“. Auffällig ist, wie aufwendig und stilvoll die Unterlagen damals gestaltet waren. Die handschriftlich verfassten Listen in den „Cassenbüchern“ sind mit Tinte so gleichmäßig und gestochen scharf geschrieben, als seien sie hineingedruckt worden. Streichungen oder Verbesserungen sind nirgendwo zu entdecken.

Ein Schreiben belegt, dass der Schloss-Ankauf im Dezember 1911 von Altonas „städtischen Kollegien“ genehmigt wurde, Kaufpreis: 800.000 Mark. Vitt erzählt, dass einige Dokumente mittlerweile bei Treffen mit internationalen Kunden in Vitrinen ausgestellt werden. Als Geschäftsmann weiß er: Die Belege einer langen Firmentradition flößen Respekt und vor allem Vertrauen ein. „Zukunft kommt immer auch von Herkunft“, sagt Vitt. „Man muss wissen, auf welchem Boden man steht.“

Damit ist klar: Das Altonaer Schloss machte zwar Eindruck. Aber in der langen Familien- und Bankgeschichte der Donners war es letztlich nur eine Episode.