Ist es nicht unsinnig, Millionen auszugeben, um einen Bunker zu beseitigen, während an anderen Stellen neue gebaut und alte "atombombensicher" gemacht werden? Diese Frage stellt sich, wenn man die Abbrucharbeiten am kleineren der beiden Heiliggeistfeld-Bunker sieht. Aber sie trifft nicht den Kern. Denn die beiden Flak-Türme (Flak = Fliegerabwehrkanone) auf dem Heiligengeistfeld dienten in erster Linie nicht dem Luftschutz der Zivilbevölkerung, sondern der Luftabwehr.
Auf dem großen Bunker an der U-Bahn-Station Feldstraße stand im Krieg eine Batterie von 12,8-cm-Zwillingsgeschützen, die aus acht Rohren ihre Granaten 13 Kilometer hoch schießen konnten. Zum Schutz gegen Tiefflieger waren rundherum auf der tieferliegenden Galerie Vierlingsflakgeschütze postiert.
Im Bunker lagen Unterkünfte, Maschinenräume, Magazine, Küchen, Aufzüge für Munition usw. Bei Fliegeralarm erhielt der große Flak- Turm von dem kleineren, der Flak-Leitstelle, die Richtwerte. Dort wurde aus einem Schacht in dem fünf Meter starken Oberdeck der "Würzburg- Riese" ausgefahren, ein weitreichendes Funkmeßgerät, wie es heute unter der englischen Abkürzung Radar bekannt ist.
In beiden Flak-Türmen waren zusammen rund tausend Soldaten eingesetzt. Auch der jetzt demontierte Bunker hatte zehn Vierlingsgeschütze. Zeitweise arbeitete hier auch eine Abteilung des Hafenkrankenhauses. Die Ärzte operierten während der Bombennächte Hunderte von Patienten.
Gebaut wurden diese Betonkolosse, zu denen noch Deutschlands größter U-Boot-Bunker auf Finkenwerder zählte, von der OT (Organisation Todt). Den U-Boot-Bunker brachten die Engländer mit der Zündung von 800 deutschen Fliegerbomben 1946 zum Einsturz. Er wurde später beseitigt.
Bei Kriegsende gab es in Hamburg außerdem 83 Hochbunker und zwölf Turmbunker, wie sie heute noch am Dammtor oder an den Vorsetzen zu sehen sind. Ferner 23 Tiefbunker, 436 Röhrenbunker, 360 Rundbunker und 140 betonierte Deckungsgräben. Sie kamen nach Kriegsende in den Besitz der Bundesvermögensverwaltung und dienten als Lagerraum, Turnhalle, Galerie oder Gaststätte.
270 Bunker wurden kürzlich den " betreffenden Grundstückseigentümern gratis übergeben. Die waren aber über dieses "Geschenk" gar nicht erfreut, denn nun wäre die kostspielige Beseitigung ihre Sache. In einem Musterprozeß wollen sie klären lassen, ob diese "Geschenke" nicht doch unter das Kriegsfolgegesetz fallen.
In der Baubude auf dem Heiligengeistfeld zeigt mir Sprengmeister Hans Jürgen Marquardt, der schon den Berliner Zoo-Bunker beseitigt hat, den alten Bauplan seines jetzigen "Opfers". Bis zur Fundamentplatte steckt es noch vier Meter im Erdreich.
Marquardt und seine 20 behelmten Bunkerknacker gehören zu der Hamburger Firma Oxygen, Sprengund Baugesellschaft. ?Das schwerste Stück Arbeit waren die beiden fünf und dreieinhalb Meter dicken Decks. Nun geht es flotter weiter. Insgesamt müssen 30 000 Kubikmeter Schutt zum Baustoffhandel Rothenburgsort abgefahren werden. 3000 Tonnen Stahl fallen nebenbei an.
"1946 haben wir hier auch schon gearbeitet. Damals wurden die Fenster in den Bunkern geöffnet, vor denen heute im letzten Bunker drüben die Geranien blühen. Die Fensteröffnungen waren beim Betonguß ausgespart worden und nur vermauert."
Von dem jetzt halbabgerissenen Bunker wurde am 12. Juli 1950 die erste Hamburger Fernsehsendung ausgestrahlt. Die Studios lagen gegenüber im großen Bunker. Es herrschte eine Affenhitze in den niedrigen Räumen, in denen sich in der Tat nur ein Rhesusaffe wohl fühlte. Ich hatte ihn auf dem Arm. Die Premiergäste, die den Vorgänger von Lassie, Flipper oder Clarence auf dem Bildschirm im Alsterpavillon sehen sollten, wurden ge- äfft: Jede Straßenbahn, die funkensprühend vorüberfuhr, ließ den Bildschirm flimmern. Das Fernsehen steckte damals noch in den Kinderschuhen.
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