Müßte nun in Einheit mit der Halle auch gleich ein Kongreßhotel geplant werden, wie es vor einigen Wochen von der "Neuen Heimat" angeregt wurde? Direktor Hoerenz ist nicht dieser Meinung: "Es muß vor allem erst gründlich geprüft werden, ob überhaupt die wirtschaftlichen Voraussetzungen dafür gegeben sind, ein solches Kongreßhotel ganzjährig zu betreiben."
Hamburger Abendblatt: "Herr Hoerenz, Sie sind Fachmann auf dem Gebiet des Kongreß- und Ausstellungswesens und haben als Nicht-Hamburger einen unverstellten Blick für die Lage der Hansestadt. Welche Bedeutung hätte eine Kongreßhalle für Hamburg?"
Direktor Hoerenz: "Hamburg ist auf eine Werbung angewiesen, die ein seiner wirtschaftlichen Bedeutung entsprechendes Image bildet. Kongresse und Tagungen unterstützen diese Bemühungen weitgehend; sie erzielen dar- über hinaus einen hohen mittelbaren wirtschaftlichen Effekt. Ein Kongreßzentrum wird der Hamburg-Werbung und dem wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Leben Hamburgs kräftige neue Impulse geben."
HA.: "Aber wir haben doch auch jetzt eine ansehnliche Zahl von Tagungen und Kongressen."
Hoerenz: ?Das ist richtig, jedoch geht ? was der Bevölkerung nicht bewußt wird ? eine Vielzahl nationaler und internationaler Kongresse an Hamburg vorbei, weil es an geeigneten Räumlichkeiten fehlt.
weniger bedeutende Städte als Hamburg verfügen über ideale Kongreß- und Tagungsmöglichkeiten. Wenn kürzlich Verwunderung darüber ausgesprochen wurde, daß München als Kongreß-Stadt beliebter sei als Hamburg, so liegt das vor allem ganz einfach daran, daß die bayerische Hauptstadt bessere Tagungsmöglichkeiten bietet als wir."
HA: "Nehmen wir einmal an, die Kongreßhalle sei bereits gebaut. Welchen Rang hätte Hamburg dann?"
Hoerenz: "Hamburg besäße dann die einmalige Chance, bedeutendste deutsche Kongreß-Stadt zu werden. Ein Kongreßgebäude, das nur wenige Schritte entfernt ist vom internationalen Eisenbahnverkehr, von allen innerstädtischen Verkehrsmitteln, das unmittelbar beim Messegelände steht und dazu noch mitten in der Stadt in einer Parklandschaft eingebettet ist, das wäre geradezu einmalig in der Welt."
HA: "Würden denn der Hotelraum ausreichen? Was halten Sie von einem Kongreßhotel?"
Hoerenz: "An mangelndem Hotelraum ist die Einwerbung von Kongressen noch nicht gescheitert. Bei einem stärkeren Zustrom von Tagungsgästen ließe sich, besonders nach Fertigstellung der anderen geplanten Hotelneubauten, etwa in der Art einer ?Verbund-Hotelzimmervermittlung" ein ausreichendes, gefächertes Zimmerangebot schaffen. Im übrigen: Wer wohnt in einem ausgesprochenen Kongreßhotel außerhalb der Kongreß-Saison?"
HA: "Wo sollte nach Ihrer Ansicht die Kongreßhalle stehen?"
Hoerenz: ?Ausschlaggebend für den Platz sollte allein die vielfältige Funktion sein, die ein Kongreßzentrum zu erfüllen hat. In diesem Zusammenhang muß betont werden, daß es eine notwendige Ergänzung zum Fachmessewesen darstellt und auch für das kulturelle und gesellschaftliche Leben Hamburgs bedeutsam sein wird. Der
Mut, für die Zukunft und weltstädtisch zu planen, wird nicht nur sichtbar in der Höhe eines Gebäudes, sondern er sollte sich auch in Überwindung anderer Vorstellungen zeigen. Aus den Überlegungen sollte deshalb das Heiligengeistfeld ausscheiden. U. a. würden die schmuddeligen Bunker und der Weg am Karolinenviertel vorbei die stadtwerberischen Bemühungen gleichsam torpedieren."
HA: "Aber das Karolinenviertel steht da ja nicht mehr ewig. Es soll saniert werden."
Hoerenz: "Schön. Aber wann? Bis dahin kann es schon zu spät sein."
HA: "Wieso zu spät?"
Hoerenz: ?Wir müssen heute für die nächsten Jahrzehnte planen. Die Prognose der Kongreßveranstalter, daß sich die Zahl der Kongresse und Tagungen in den nächsten acht Jahren verdreifachen dürfte, wird verständlich durch die allgemeine Entwicklung. Die Integration von Wirtschaftsräumen, von politischen und militärischen Blöcken bedingt, daß man sich mit den daraus resultierenden Problemen auseinandersetzen muß.
Nehmen Sie das lateinische Wort .conferre' wörtlich, so bedeutet Konferenz sinngemäß das Zusammentragen von Meinungen und Problemen. Man wird um so mehr ins Gespräch kommen, je aktueller die Assoziierung von EWG und EFTA und auch von Comecon werden wird. Hamburg darf sich den Vorteil seiner wirtschafts-geographischen Lage auch auf dem Gebiet des Kongreß- und Ausstellungswesens nicht entgehen lassen. Gerade auch zur IGA 1973 könnte ein Kongreßzentrum dazu beitragen, nicht nur Tages-, sondern auch Tagungs- (also Übernachtungsgäste) heranzuziehen.
Es ist nicht uninteressant, daß in Holland in einem Zeitraum von fünf Jahren in Amsterdam, Rotterdam und Den Haag, also in Abständen von jeweils etwa 60 bis 80 km, moderne Kongreßhäuser entstehen oder entstanden sind. Für Hamburg ist dabei interessant, daß sich die unmittelbare Verbindung von Ausstellungsgelände und Kongreßzentrum auf die Entwicklung des Messewesens der holländischen Hauptstadt spürbar günstig ausgewirkt hat.
Das Kongreßzentrum in Hamburg ist also für das Ansehen, die wirtschaftliche Entwicklung und für die Integration der Bürger unserer Stadt von unschätzbarer Bedeutung. Die Weichen für seinen Bau sollten gestellt werden, ehe es buchstäblich zu spät dazu ist." sie.
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