waldtswerken sind wir doch auch gewissermaßen Beamte.
Auf der Stülckenwerft ist der Streik, wie das Hamburger Abendblatt erfährt, von einer Gruppe von etwa 20 besonders aktiven Männern ausgelöst worden. Sie zogen von Abteilung zu Abteilung und forderten die Arbeitswilligen zum Ausstand auf.
Neugierige schlössen sich dem Zug an, der sich dadurch vergrößerte. So entstand bei vielen Arbeitswilligen der Eindruck einer Massenbewegung.
Die Versammlung der etwa 2000 Streikenden vor dem Heiligengeistfeld- Bunker löste sich (wie schon in einem Teil unserer gestrigen Ausgabe berichtet) nach Aufforderung durch die Polizei ohne Zwischenfälle auf. Auch die Lohnzahlungen in der Rinderhalle, in Wilhelmsburg und bei der Stülckenwerft gingen reibungslos vonstatten. Die Streikenden fanden in ihren Lohntüten einen weißen Zettel mit der Mitteilung, daß sie fristlos entlassen seien.
Ein besonders intensiver Versuch der Streikleitung, den Ausstand auf die Norderwerft auszudehnen, mißlang. Während es gestern nachmittag einige Unruhen im Betrieb gab, arbeitete die Nachtschicht wieder voll und ungestört.
Die Belegschaften von ostzonalen Werften haben den streikenden Hamburger Arbeitern in einem Schreiben ihre "volle Solidarität" versichert. Die Hamburger Werftarbeiter werden aufgefordert, im ?patriotischen Kampf
Während der Streik bei den Howaldtswerken Hamburg und der Stülckenwerft unverändert weiterging, kamen Vertreter der Industriegewerkschaft Metall und der Arbeitgeber gestern zur ersten Tarifverhandlung zusammen. Auf allen übrigen Hamburger Werften geht die Arbeit weiter.
"Warum streikt ihr eigentlich, da doch Lohnverhandlungen im Gange sind?" So hatte das Hamburger Abendblatt gestern einen der Männer gefragt, die sich vor dem Bunker auf dem Heiligengeistfeld versammelt hatten. Der Befragte, ein älterer Mann, gab folgende Antwort: "Die Gewerkschaft fordert 12 Prozent Lohnerhöhung- Wir wünschen eine Erhöhung des Stundenlohns um 20 Pfennig. Bei einer prozentualen Erhöhung sind einige Gruppen von Arbeitern immer benachteiligt, da die Löhne stark gestaffelt sind. Wir möchten aber, daß alle Löhne gleichmäßig erhöht werden."
Während wir uns noch unterhielten, rief einer der Streikführer: "Kollegen, wenn unsere Forderung nicht bewilligt wird, werden wir für immer zumauern!" "Na, der scheint ja einen reichen Großvater zu haben", sagte ein jüngerer Mann im blauen Arbeitshemd. Und jedesmal, wenn sich an einem der vielen Fenster des Hochbunkers ? in dem sich Wohnungen und Büros befinden ? ein junges Mädchen zeigte, pfiffen und riefen die Streikenden begeistert nach oben, daß die Streikführer Mühe hatten, sich verständlich zu machen.
"Wir haben uns nicht von ein paar Aufwieglern rumkriegen lassen", sagte ein anderer. "Mit dem Streik ist es uns sehr ernst. Wir möchten die Teuerungszulage durchsetzen. Mein Vater bezieht eine Pension und bekommt gelegentlich Teuerungszulagen. Und bei den Hogegen den Lohnraub verstärkt zu außerparlamentarischen Mitteln zu greifen". Für die finanzielle Unterstützung wurden auf den Sowjetzonenwerften Sammlungen durchgeführt.
Bei dem Lohnkonflikt laufen also zwei Forderungen nebeneinander: 1. die Forderung der Gewerkschaft auf 12prozentige Lohnerhöhung, 2. die durch den wilden Streik unterstützte Forderung auf Erhöhung der Stundenlöhne um 20 Pf.
Die I. G. Metall hat den Lohntarif zum 31. Oktober gekündigt. Beide Vertragspartner hatten sich bei Abschluß dieses Tarifvertrages verpflichtet, diesen Vertrag bis zum Ablauf einzuhalten. I. G. Metall und Arbeitgeber hatten sich bereits vor Beginn des Streiks geeinigt, am 12. September in Lohnverhandlungen einzutreten. Auf Grund des wilden Streiks wurde der Termin dann auf den 26. August vorverlegt.
Vertreter der I.G. Metall Ortsverwaltung Hamburg und des Verbandes der Metallindustriellen Hamburg trafen sich gestern nachmittag zu der vorgesehenen Verhandlung. Nach Mitteilung des Verbandes der Metallindustriellen erklärten sich die Arbeitgeber zu einer Lohnerhöhung bereit.
Die Verhandlungen brachten eine Annäherung der gegenseitigen Auffassungen. Es sei jedoch, wie es in der Mitteilung weiter heißt, gestern noch nicht zu einer Einigung gekommen.
Die Verhandlungspartner haben den nächsten Verhandlungstermin auf Dienstag, den 30. August, festgesetzt.
Die Streikenden bekommen von der Gewerkschaft keine Streikgelder. Auch Arbeitslosenunterstützung steht ihnen vorläufig nicht zu. gb.
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