Acht Tage Olympiade der Landwirtschaft auf dem Heiligengeistfeld

Kuhstall mit Schaufenster

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48 Stunden vor der Eröffnung der 41. Wanderausstellung am Sonntagvormittag hatte die Deutsche Landwirtschaf ts-- Gesellschaft zu einem ersten Rundgang über das Heiligengeistfeld gebeten. Sie konnte sich das leisten, denn die riesige Schau war gestern schon fast fertig. Das Land ist in die Stadt gekommen: Unter den Augen des Michels stehen die besten Pferde, Rinder und Schweine in scharfer Konkurrenz

mit den modernsten landwirtschaftlichen Maschinen

"Mancher wird glauben, daß der Aufwand für acht Tage zu groß ist," erklärte DLG-Hauptgeschäftführer Mayer-Schalburg, ?aber diese Schau ist die Olympiade der deutschen Landwirtschaft. Wir erwarten Besuch von 21 Nationen und wissen sehr wohl, daß sich während der nächsten Wochen ein Stück Weltmarkt des landwirtschaftlichen Sektors auf dem Heiligengeistfeld abspielen wird. Die DLG mit ihren Lehrschauen bleibt trotzdem im schlichten Rahmen.'

Bauernhof am Stadtgraben

Zwei Stunden dauerte dieser erste Rundgang. Er genügte kaum, um auch nur ein Viertel der Stände zu sehen. Am Stadtgraben, auf dessen Grund die Pflanzen der Forstlehrschau wachsen, steht ein funkelnagelneues Bauernhaus. Der Kuh- und Schweinestall hat Schaufenster ? für die Besucher. Die Küche könnte in einem Grindelhochhaus eingebaut sein. Ein Stück weiter haben die Schlepper und Pflüge ihr Versuchsgelände. Motoren lärmen über den Platz. Walzen machen die Furchen wieder glatt. Hier können die Bauern selber die Maschinen erproben.

Diese Ausstellung ist keine Messe, sondern ein Arbeitsfeld. Alles lebt, alles ist in Bewegung. Selbst in der Landschule wird praktischer Unterricht abgehalten. 26 Jungen und Mädchen aus dem Kreise Uelzen sind extra nach Hamburg gekommen. Jeden Tag fahren sie mit einem Sonderwagen der Straßenbahn nach dem Jugendpark Langenhorn. Für sie ist auch sonntags Schule.

Kartoffeln in Blumentöpfen

Neben dem Bunker Feldstraße sind große Zelte mit lebendigen Lehrschauen aufgebaut. Dort stehen Kartoffeln in Blumentöpfen, im Haus der Düngung leuchtet eine Neon-Kuh, Abertausende von Eindrücken stürmen auf den Besucher ein. Man braucht nicht Stunden, sondern Tage, wenn man alles richtig verdauen will.

Fische in Aquarien, infrarot bestrahlte Ferkel und Kücken, Fliegen, die unter chemischen Mitteln dahinsterben, Kuttertypen und Netzgeräte der Binnenfischerei. Elektrische Zäune, Ställe, deren Türen die Hühner selber öffnen. Erntemaschinen, Pumpen, Höhenförderer, Windmotoren, Ackerschlepper Zentrifugen, Melkmaschinen. Dem Landwirt werden Hilfsmittel genug an die Hand gegeben. Aber Hein vom Hafen wird kopfschüttelnd fragen: "Kann er das auch bezahlen? Ist denn das noch wirtschaftlich?" Auch darauf wissen Fachleute eine Antwort. Sie wird durch die Schau selbst gegeben.

Wein, Milch, Süßmost

Schmucke Winzerinnen schenken Weine aller deutschen Weinbaugebiete aus. Der 1950er ist kein. "Sauerampfer". Aber er ist so reichlich, daß wir am 3. Juni, dem letzten Ausstellungstag, einen "Deutschen Weintag" starten können und ? müssen, denn eine Million Menschen leben in der Bundesrepublik allein vom Wein. In der Milchkosthalle gibt es kühle Milch, rein oder gemixt mit Bananen, Erdbeeren oder Ananas. Auch Süßmost kann man probieren.

Konkurrenz der Tiere

1200 edelste Pferde, Rinder und Schweine stellen sich heute und morgen den Preisrichtern. Sie werden gemessen und gewogen, wie auf einer Schönheitskonkurrenz. Nur die besten können diese scharfe Prüfung bestehen. Auch wer von Tieren nichts versteht, hat seine helle Freude an diesen vierbeinigen Prachtexemplaren. Da steht ein mächtiger Bulle. Vater von einem Sohn und 60 Töchtern. Dabei ist er selber erst sieben Jahre alt. Pferde tänzeln unruhig vor den Richter, Schweine grunzen behaglich. Ländliche Idylle mitten in der Großstadt.

K&se ? groß wie Wagenräder 1200 Käseproben stellten sich gestern im Winterhuder Fährhaus den Gaumen, Nasen und Augen von 15 gestrengen Oberrichtern und 158 Richtern. Weißbekittelte Männer bewegten sich zwischen 100 wagenradgroßen Emmentalern, zwischen roten Edamern, silberverpackten Camemberts zwischen Romadour und Gouda. Sachverständig nahmen sie ihre Proben. 20 Punkte können dem besten Käse zuerkannt werden. 19 Punkte reichen noch für einen ersten Preis. Die geprüften Sorten werden Altersheimen und Krankenhäusern zur Verfügung gestellt. Senator Frank hatte die Käserichter nach ihrem anstrengenden Amt zu einer Hafenrundfahrt und anschlie- ßend zu einem Ausflug nach Schulau eingeladen. Das wurde besonders von den vielen Allgäuern dankbar begrüßt.

Flaggen am Steindamm

Eine hübsche Idee hatten die 100 Geschäftsinhaber und 14 Lokalbesitzer vom Steindamm. Sie zeigen an 80 Masten die Flaggen aller deutschen Länder und großen Städte und möchten damit den Fremdenstrom auch zu ihrer Straße lenken, die heute am Tor zu einem ausgebombten "Hinterland" liegt.

Hamburg ist gerüstet, seine Gäste aus Nah und Fern würdig zu empfangen.

Und im Fernsehfunk

Von der Eröffnung der 41. Wandtr- Ausstellung der DLG sendet der Nordwestdeutsche Fernseh-Funk am Sonntag, 11 Uhr, eine Original-Übertragung vom Heiligengeistfeld. Es wird die erste unmittelbare Außenübertragung von einem aktuellen Ereignis sein, die der Fernsehfunk nach dem Kriege in Deutschland durchführt. Mc

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