"New Vintage"

Am Anfang ist Müll, am Ende schöne Mode

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Caroline Rudelt

Foto: Bertold Fabricius / Bertold Fabricius/Pressebild.de/Bertold Fabricius

Bei "Redesign" in der Marktstraße entwirft Christina Schelhorn neue Kleidung ausschließlich aus alten Stoffen und getragenen Stücken.

Es ist ein Ort, an dem Vergangenes auf Zukunft trifft. Diese Begegnung ist greifbar. Beim Cape etwa, geschneidert aus dem Pelz eines Mantels aus den 70er-Jahren. Oder bei den Etuikleidern aus bedruckten Stoffen, die so charakteristisch für die 60er waren. In der Marktstraße 147 gibt es neue Mode - aus alten Sachen.

„Redesign“ nannte Christina Schelhorn (50) folgerichtig ihren kleinen Laden, als sie ihn im Juli eröffnete. Hier werden Unikate verkauft, die ausschließlich aus gebrauchter Kleidung, Stoffresten, Vorhängen oder Tischdecken hergestellt werden. Vintage - aber maßgefertigt und den aktuellen Trends angepasst. Die Idee zum Moderecycling kam der Kommunikationsdesignerin beim Ausmisten einer überfüllten Schublade. Dabei fand sie Kreuzstichtischdecken, von denen sie sich nicht trennen wollte. Diese nähte sie zu Schürzen um, verteilte sie unter Freunden. Mit großem Erfolg. „Doch irgendwann war es mir zu langweilig, immer das Gleiche zu machen.“ Christina Schelhorn, die unter anderem für „Vogue“ und „Maxi“ gearbeitet hat, entschloss sich zum Schritt in die Selbständigkeit. Ein Schritt, den sie bisher nicht bereut hat.

Die kreative Arbeit mit hochwertigen, oft kaum getragenen Stoffen, kombiniert mit ökologisch korrekter Produktionsweise ist für sie der Antrieb. Für die Herstellung eines einzigen T-Shirts aus Baumwolle werden normalerweise rund 2000 Liter Wasser verbraucht, meist befinden sich die Anbauflächen in Entwicklungsländern, die ohnehin mit Wasserarmut zu kämpfen haben. „Diese Aspekte treiben mich an“, sagt Christina Schelhorn. Und der Spaß, aus Dingen etwas völlig Neues zu schaffen.

Materialien kauft sie auf Flohmärkten und Recyclinghöfen, häufig kommen Privatpersonen im Laden vorbei, um etwas abzugeben. Die Ressourcen, sagt sie, seien riesig. Allerdings: Nicht alles nimmt sie an. „Die Qualität entscheidet.“ Und die Sauberkeit. Die Kleider werden daher vor der Weiterverarbeitung intensiv gereinigt. Neben ihren Entwürfen gibt es auch Kreationen ihrer Partnerin Friederike Mieß und die kleinerer Labels wie „Milch“ und „Pamayo“. Teilweise schneidert sie selbst in ihrem Atelier am Stadtrand, oft gibt sie die Produktion an die Nähabteilung des Vereins „Hamburger Arbeit“ ab, die Langzeitarbeitslose beschäftigen.

So viel soziales Engagement wird belohnt – mit Kunden. Wobei, sagt Christina Schelhorn, missionieren wolle sie niemanden. Denn nur ein Teil der Kunden motiviert die Idee der Nachhaltigkeit zum Einkauf. „Viele finden schlichtweg die Mode gut. Vintage und Patchwork-Looks sind gerade sehr gefragt.“

Ist „Redesign“ in Hamburg noch ein Unikum, hat sich „Eco-Fashion“ in der Modebranche längst etabliert. Auf Öko-Fashionshows in New York und Vancouver präsentieren Designer ihre ökologisch korrekte und gleichzeitig glamouröse Mode, fern ab von Birkenstock und Latzhosen. In Berlin treffen sich Produzenten und Konsumenten bei der grünen Modemesse „TheKey.to“, die parallel zur Fashion Week stattfindet. Galt der Däne Peter Ingwersen mit seinem 2005 gegründeten Label „Noir“ als Pionier in Sachen „Ethical Fashion“, rühmen sich mittlerweile Designer aller Preisklassen eines wiedergefundenen Umweltbewusstseins. H&M beispielsweise bietet seit längerem Shirts aus Bio-Baumwolle an. Das Problem hierbei: Der Wasserverbrauch ist ähnlich hoch wie bei den nicht-biologischen Verwandten.

Nach Fair Trade und pestizidfreien Stoffen ist nun also die Wiederverwertung von Textilabfällen ein Thema, mit dem sich die Modebranche beschäftigt. Das Pariser Traditionshaus Hermès hat im November zwei Wochen lang seine limitierte Kollektion „petit h“ zum Verkauf angeboten. Hochwertige Accessoires, wie es die Kunden des Labels gewohnt sind. Aus Abfällen der Produktionsstätten. Auch Stefano Pilati, Kreativchef bei Yves Saint Laurent, entwarf für das New Yorker Modekaufhaus „Barney’s“ eine „New Vintage“-Kollektion. Klassiker wie der Trenchcoat oder der legendäre Damen-Smoking wurden dabei aus Textilresten gefertigt. Die Recyling-Teile sind ebenfalls streng limitiert. Ob sie zum festen Bestandteil der Kollektion werden oder ob es sich dabei doch nur um eine kurzfristige Imagekampagne handelt, das bleibt abzuwarten.

Christina Schelhorn hofft, dass sich „New Vintage“ großflächiger durchsetzen wird. Bei den Marken und bei den Verbrauchern. Förderlich könnte sich ein weiterer Trend auswirken: „Do it yourself“ - die Rückkehr zur Stricknadel und Nähmaschine. Bei „Redesign“ richtet sie regelmäßig Näh-Workshops aus, mit steigender Nachfrage. Die Faszination dabei, erklärt Christina Schelhorn, liege auf der Hand: „Am Anfang ist Müll. Am Ende Mode.“

Redesign, Marktstraße 147, 20357 Hamburg, www.redesign-hamburg.de

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