Bad Segeberg. Unbekannte beschmierten das Denkmal, das an die Reichspogromnacht und die Schoa erinnert. Die Reaktionen aus der Stadtpolitik.

Die Schändung des Holocaust-Mahnmals und der Erinnerungsstätte für die Alte Segeberger Synagoge an der Lübecker Straße 2 in der Kreisstadt (wir berichteten) hat in Segebergs Parteien Entsetzen und tiefes Bedauern ausgelöst. Entdeckt wurde die Schmiererei, wie erst jetzt konkretisiert wurde, am Montagmorgen bei einer Stadtführung mit Stadtführer Uwe Pawkowski.

Das teilte Segebergs Historiker Axel Winkler dem Hamburger Abendblatt mit. Winkler erforscht auch die Geschichte jüdischen Lebens in Segeberg und Umgebung und hat darüber mehrere Sachbücher geschrieben, aus denen auch die Tafeln mit den Lebensdaten vieler ehemaliger jüdischer Bürgerfamilien stammen, die am Mahnmal ausgestellt sind.

Alte Synagoge: Politiker entsetzt über Schändung des Mahnmals

„Durch diese Schmiererei ,Free Palestina‘ ist die friedliche Situation in Bad Segeberg schändlich gestört worden“, sagte Winkler. Stadtführer Uwe Pawlowski habe ihn umgehend angerufen, als er die Schändung des Mahnmals entdeckte. „Ich habe mir das Schild angeschaut und nach Rücksprache mit Walter Blender, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Segeberg, noch am Montagabend Strafanzeige gestellt. Walter Blender wollte dann einen Strafantrag stellen“. Mittlerweile ermittelt der Staatsschutz der Bezirkskriminalinspektion Kiel.

„Fakt ist, die Schmiererei an einer Holocaust-Gedenkstätte muss als besonders geschmacklos gewertet werden. Welche Konsequenzen das hat, ob Video-Überwachung oder ähnliches, wird ganz sicher Gegenstand der politischen Diskussionen sein“, hofft Winkler.

Bisher keine Stellungnahme des Bürgermeisters

Indes war Toni Köppen (parteilos), Bürgermeister der Stadt Bad Segeberg, am Freitag für eine Stellungnahme bis Redaktionsschluss nicht zu erreichen. Sein Stellvertreter Norbert Reher (CDU) sagte knapp, dass er keine Stellung beziehen möchte, ebenso CDU-Stadtvertreterin Ina Roth. Bürgervorsteherin Monika Saggau (CDU) weilt in Urlaub.

CDU-Politikerin Bernstein bezieht klar Stellung

Dagegen hatte Melanie Bernstein von der Segeberger CDU und Mitglied im Bundestag eine deutliche Meinung: „Die Schändung des Mahnmals durch diese Schmiererei hat mich persönlich extrem entsetzt. Jüdisches Leben muss in dieser Gesellschaft stattfinden können, daran darf es niemals einen Zweifel geben.“

Bernstein, die auch schon eine Spendenaktion für eine Video-Überwachung für die neue Synagoge Mishkan HaZafon (Synagoge des Nordens) am Jean-Labowsky-Weg organisierte, fordert zudem, dass die mit dem Schriftzug in unlöschbarer roter Farbe zerstörte Informationstafel unbedingt wieder unversehrt am Mahnmal angebracht werden müsse.

Bernstein: „Null Toleranz bei Antisemitismus!“

„Jüdisches Leben gehört zu uns allen, und ich bin sehr besorgt darüber, wie Jüdinnen und Juden im Alltag behindert werden, vor allem nach dem Massaker der Hamas-Terroristen am 7. Oktober auf die Kibbuzim und das Nova-Musikfestival in Südisrael.“ Deutschland müsse alle rechtstaatlichen Möglichkeiten einsetzen, „um jegliche Form von Antisemitismus zu bekämpfen, egal, woher er kommt“, sagte Bernstein abschließend und fordert „Null Toleranz bei Antisemitismus“.

Das Mahnmal wurde 2021 eingeweiht.
Das Mahnmal wurde 2021 eingeweiht. © Heike Linde-Lembke | Heike Linde-Lembke

Ihr Parteikollege Niclas Herbst, Mitglied im CDU-Landesverband, Vorsitzender der Europa Union Schleswig-Holstein und evp-Fraktionsmitglied im EU-Parlament, zeigte ebenfalls „völliges Unverständnis“ für die Tat: „Die Schändung zeigt, dass viele Menschen, die angeblich für einen Staat Palästina eintreten, in Wirklichkeit antisemitisch sind, mit solchen Schändungen zeigen sie ihr wahres Gesicht.“ Es sei sehr traurig, dass in Deutschland jüdische Einrichtungen geschützt werden müssen. Nun müsse Segebergs Politik darüber entscheiden, wie das Mahnmal der Alten Synagoge zu überwachen sei.

SPD-Politiker: „Stehen an der Seite unserer Jüdischen Gemeinde“

„Wir sind bestürzt über diesen Vorfall und stehen an der Seite unserer Jüdischen Gemeinde. Der Fall muss nun so gut und schnell es geht aufgeklärt werden. Die Untat zeigt, wie groß die Ressentiments sind. Wir können das auf keinen Fall akzeptieren“, teilte Alexander Wagner mit, SPD-Stadtvertreter und stellvertretender Vorsitzender der Segeberger SPD.

Mona-Luise Wagemann und Felix Klein von Bündnis 90/Die Grünen schreiben in einer Pressemitteilung: „Wer glaubt, ,Free Palestina‘ an einem Ort der Erinnerung an den Holocaust platzieren zu müssen, drückt nicht eine Meinung aus, sondern zeigt eine unfassbare Geschichtsvergessenheit und offenbart in seiner Gesinnung einen unfassbaren Antisemitismus. Er zeigt, dass es ihm nicht wirklich um Menschen geht, sondern um eine rassistische, ideologiegeprägte Hetze.“

FDP-Politiker fordert mehr Solidarität mit Israel

„Segeberg kann stolz auf seine Jüdische Gemeinde sein, und das Mahnmal ist auch ein guter Lernort, umso sprachloser, wütender und traurig sind wir über die Schändung“, sagte Uwe Henn. Der Ortsvorsitzende der Segeberger FDP erklärte: „Das Mahnmal erinnert an das schlimmste Verbrechen, das je stattfand, und daher ist es umso unerträglicher, dass solche Tat in Deutschland wieder stattfinden kann.“

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Henn fordert mehr Solidarität mit Israel, mit Jüdinnen und Juden und empfiehlt, gemeinsam mit der Jüdischen Gemeinde Segeberg informative Projekte zu starten, um jüdisches Leben noch bekannter zu machen und Lösungen gegen den grassierenden Antisemitismus zu finden und umzusetzen. Für die Täter seien die Gerichte zuständig, und sie müssten die Gesetze mit aller Härte durchsetzen, auch mit Abschiebung.