Hamburg. Besondere Untersuchung in Hamburg mit spezieller Tuchtechnik. Diplom-Biologe gibt Tipps für Besuch bei Public Viewing.

Olaf Kahl gibt ein sonderbares Bild ab, wie er durch das Gebüsch und durch das Unterholz in den Großen Wallanlagen in Hamburg streift. An den Füßen trägt er kompakte Schnürstiefel. In der Hand hat er einen Holzstock, an dem ein weißes Moltontuch hängt.

Der Diplom-Biologe sucht im Vorfeld der EM 2024, bei der viele Hamburger das Geschehen bei Fanfesten und im Grünen verfolgen werden, nach dem Vorkommen des Gemeinen Holzbocks, der am meisten verbreiteten Zeckenart in Deutschland.

EM 2024 in Hamburg: Fans sollten sich nicht im Gebüsch erleichtern

In Hamburg ist der Berliner Wissenschaftler an diesem Morgen im Auftrag des Pharmaunternehmens Pfizer. Kahl ist Zeckenexperte und betreibt mit seinem Kollegen Martin Komorek seit 2009 in Berlin das Unternehmen Tick-Radar (zu Deutsch: Zecken-Radar). „Die Zeckenaktivität zu erforschen und vorhersagen zu können, steht neben anderen wissenschaftlichen Fragestellungen und Auftragsforschungen im Fokus unseres Unternehmens“, erklärt der Firmenchef. Die beiden Biologen untersuchen bis zur Europameisterschaft insgesamt 16 Standorte in ganz Deutschland.

Den Standort an der Hamburger Glacischaussee hält Kahl selbst für nicht besonders ideal, aber dieser sei ihm vorgegeben worden, sagt er. „Vielleicht kennt sich die Agentur, die das organisiert, in Hamburg nicht so gut aus. Eines der großen Fanfeste ist auf dem Heiligengeistfeld geplant. Das liegt keine 30 Meter Luftlinie entfernt, aber dort seien einfach nicht genügend Grün und kaum Büsche vorhanden, in denen Zecken leben könnten“, so Kahl. Deshalb gibt er für das Heiligengeistfeld Entwarnung.

Wer in Hamburgs Parks unterwegs ist, muss sich vor Zecken in Acht nehmen

Obwohl er mehrfach sein Moltontuch über die Pflanzen auf dem Boden zieht, verfängt sich keine einzige Zecke. „Das heißt leider nicht, dass keine Zecken da sind, sondern nur, dass sich keine verfangen hat“, sagt der Experte. Grundsätzlich müssten Menschen auch in Hamburg bei einem Aufenthalt im Grünen mit einem Zeckenstich rechnen. Zeckenstich sei tatsächlich der richtige Begriff, auch wenn das Wort Zeckenbiss sehr viel gebräuchlicher sei. „Aber Zecken stechen, sie beißen nicht.“

Der Gemeine Holzbock (Ixodes ricinus) ist die am stärksten verbreitete Zeckenart in Deutschland.
Der Gemeine Holzbock (Ixodes ricinus) ist die am stärksten verbreitete Zeckenart in Deutschland. © picture alliance / blickwinkel/W. Willner | W. Willner

Parks seien ideale Habitate für die kleinen Tiere, sagt der Biologe. „Je naturnäher ein Park ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass Zecken vorkommen. Auch in gepflegten Parks suche ich nach Büschen, die etwas abseitig liegen.“ Denn Zecken hielten sich gern im Laubstreu ab, also in den abgefallenen Blättern, aber auch auf Bodendeckern und in Büschen. Zecken seien nicht sehr mobil und deshalb darauf angewiesen, dass ihr Wirt sich ihnen nähert.

Zecken: Experte sagt, welche Orte besonders gefährlich sind

Diese etwas versteckten Plätze seien leider auch jene Orte, an die sich gerne Menschen zurückzögen, um ihre Notdurft zu verrichten, warnt der Experte. Und dort fänden die Zecken ihren Wirt.

An welchen Orten man laut Olaf Kahl in Hamburg besonders gefährdet ist:

  • In Parks wie dem Volkspark oder dem Stadtpark mit einem hohen Baumanteil und Büschen
  • Auf Spielplätzen am Waldrand
  • Im Gebüsch

Der Experte rät daher, „vor einem Ausflug in einen Park oder in einen Wald noch auf die Toilette zu gehen, damit man nicht unterwegs im Gebüsch verschwinden muss.“ Denn wenn die Zecken erst einmal auf die Kleidung gelangten, fänden sie auch den Weg zur Haut.

Zeckenimpfung: Für die Entscheidung muss man mehrere Dinge abwägen

Seinen Angaben zufolge kommen Zecken in ganz Deutschland vor, auch die Risikogebiete für Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) seien nicht mehr auf Süddeutschland beschränkt. Zecken können das gefährliche Virus auf Menschen übertragen. Dagegen schützt eine Impfung. „In Hamburg sind noch keine FSME-Fälle aufgetreten“, sagt Kahl, aber „Lyme-Borreliose gibt es überall in Deutschland“.

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Sollte sich jeder gegen FSME impfen? Dazu sagt der Zeckenexperte, der auch Mitherausgeber der wissenschaftlichen Zeitschrift „Ticks and Tick-Borne Diseases“ ist: „Es hängt davon ab, wo ich mich aufhalte. Das sollte in die Entscheidung über eine Impfung einfließen.“

Es mache einen Unterschied, ob jemand regelmäßig in FSME-Risikogebieten im Grünen unterwegs sei oder nur mal schnell für einen beruflichen Termin in einer Stadt dort. „Und dann sollte man das mit seinem Arzt besprechen. Laut Ständiger Impfkommission ist die Impfung sehr gut verträglich und sehr wirksam.“

Achtung Hundebesitzer: Stich der Auwaldzecke kann für Tiere tödlich enden

Hundebesitzern gibt er den Tipp, auf die Auwaldzecke zu achten, die größer ist als der Gemeine Holzbock. Sie sei für den Menschen nicht gefährlich, aber für Hunde. Die Auwaldzecke, die auch in Mecklenburg-Vorpommern schon an der Ostsee nachgewiesen worden sei, überträgt Parasiten.

„Die Hunde bekommen eine Erkrankung, die die roten Blutkörperchen zerstört, man nennt sie umgangssprachlich auch Hundemalaria. Wird das nicht behandelt, dann sterben die Tiere.“ Hundehaltern rät er daher, dem Tierarzt von einem Zeckenstich zu berichten, sollte der Hund danach krank und immer schwächer werden.

Kahls Einsatz in Hamburg ist an diesem Tag übrigens nicht von Erfolg gekrönt. Das weiße Moltontuch ist nach mehreren sogenannten Fahnenzügen nur nass und schmutzig, aber es hat sich nicht eine Zecke verfangen. „Ich werde wohl noch einmal wiederkommen müssen“, sagt er. „Wenn es weniger regnet.“