Berlin. Allein in Deutschland erkranken jährlich etwa 300.000 Menschen an Alzheimer. Eine Ärztin erklärt, wie man sich am besten schützen kann.

Neurologische Krankheiten wie Parkinson, Alzheimer oder Schlaganfälle gelten meist als Erkrankung des Alters. In der Serie „Die Hirn-Docs“ der FUNKE-Tageszeitungen klären fünf Experten der Deutschen Hirnstiftung über die neuesten Erkenntnisse in der Neurologie auf.

Nicht nur für die Betroffenen, sondern auch für die Angehörigen ist Alzheimer eine belastende Situation. Im aktuellen Beitrag erklärt Prof. Dr. Kathrin Reetz, Präsidentin der Deutschen Hirnstiftung und geschäftsführende Oberärztin für Neurologie an der Uniklinik RWTH Aachen, woran man Alzheimer erkennt, wie man vorbeugen kann und welche Therapieformen es gibt.

Tipp: Wenn Sie eine Frage rund um das Thema Alzheimer haben, gibt Prof. Reetz gern Antwort! Senden Sie uns einfach Ihre Frage per Mail an hirn@funkemedien.de. Die Einsendungen werden zunächst gesichtet und gegebenenfalls veröffentlicht, allerdings in anonymisierter Form.

Alzheimer: So funktioniert die Diagnose

Um eine frühe Therapie gegen Alzheimer zu ermöglichen und weitere Maßnahmen voll auszuschöpfen, ist eine rechtzeitige Diagnose von entscheidender Bedeutung. Dabei empfiehlt es sich, zunächst hausärztlichen Rat einzuholen, etwa wenn man zunehmend Dinge vergisst oder Sachen verlegt. Der Hausarzt oder auch der Facharzt für Neurologie oder Psychiatrie kann dann mit kognitiven Kurztests eine erste Einschätzung abgeben. Sollten sich hier Hinweise auf eine kognitive Erkrankung geben, werden dann weitere Diagnose-Maßnahmen wie zum Beispiel eine ausführliche neuropsychologische Testung, eine Bildgebung des Kopfes und Laboruntersuchungen angeschlossen.

Die Nervenwasseruntersuchung ist hierbei für die Diagnostik entscheidend. Damit können die für eine Alzheimer-Erkrankung typischen Biomarker bestimmt und erkannt werden. Heißt: Im Nervenwasser befindet sich ein zu geringer Anteil des Eiweißes Beta-Amyloid und eine zu hohe Konzentration von Phospho-Tau (pTau).

Vielversprechende Tests: Alzheimer könnte bald mit diesem Bluttest erkannt werden

Die Erkennung der bereits erwähnten Biomarker im Blut findet bisher fast ausschließlich in wissenschaftlichen und klinischen Studien Anwendung. Es ist aber zu erwarten, dass sie bald auch Eingang in den klinischen Alltag findet. Schon jetzt gibt es einen verfügbaren Test, der auf den Alzheimer-Marker pTau217 anschlägt. Laut einer aktuellen Studie soll der sogar ähnlich zuverlässig sein wie eine Lumbalpunktion oder ein PET-Scan.

Aber: Laut Prof. Dr. Kathrin Reetz müssen solche Bluttests für die klinische Praxis in der Zusammenschau mit den anderen Befunden erst weiter geprüft werden. So soll die Gefahr von falsch positiven oder falsch negativen Befunden bestmöglich verringert werden. Prof. Reetz: „Vielversprechend sind Tests, die auf mehrere Biomarker anschlagen, etwa auf Amyloid und Tau oder auch andere vielversprechende Marker.“

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Therapie bei Alzheimer-Patienten: Medikamente und Hirnstimulation

Bereits jetzt gibt es wirksame Medikamente, die bei leichter bis mittelschwerer Alzheimer-Demenz verschrieben werden. Dabei handelt es sich um sogenannte Acetylcholinesterase-Hemmer (Donepezil, Galantamin, Rivastigmin), die zur Besserung der Kognition und der Alltagsaktivitäten beitragen. Leiden die Betroffenen bereits an einer mittelgradigen Demenz, ist noch das Medikament Memantin zugelassen. Jede der bereits genannten Substanzen sollte dauerhaft eingenommen werden, selbst wenn sich die Demenz-Symptomatik weiter verschlechtert.

„Die Hirn-Docs“ ist die neue Serie der FUNKE-Tageszeitungen, in der fünf Top-Neurologen der Deutschen Hirnstiftung über die neuesten Erkenntnisse in den Bereichen Alzheimer, Parkinson, Schlaganfall, Schmerzen und funktionelle Störungen berichten.
„Die Hirn-Docs“ ist die neue Serie der FUNKE-Tageszeitungen, in der fünf Top-Neurologen der Deutschen Hirnstiftung über die neuesten Erkenntnisse in den Bereichen Alzheimer, Parkinson, Schlaganfall, Schmerzen und funktionelle Störungen berichten. © Montage ZRB | Klinikum Fürth; Uniklinikum Aachen; UKSH; UKE; Agentur Adverb

Prof. Reetz: „Darüber hinaus wird bei leichter und mittelschwerer Demenz ein kognitives Training empfohlen, wodurch die Hirnfunktionen stimuliert und so gefördert werden. Dazu zählen etwa soziale Interaktionen sowie Elemente einer sogenannten Reminiszenztherapie, bei der Teile des Gedächtnisses durch Gespräche über die Biografie des Patienten stimuliert werden. Auch Krafttraining und/oder aerobes Training tragen zur Verbesserung der kognitiven Leistung und der Optimierung der Aktivitäten des täglichen Lebens bei.“ Damit sollte man am besten frühestmöglich beginnen.

Antikörpertherapien versprechen Linderung

Ein vielversprechendes Mittel zur Behandlung einer Alzheimer-Krankheit im Frühstadium sind sogenannte Antikörpertherapien. Das entsprechende Medikament namens Lecanemab ist in den USA bereits teilweise zugelassen, in Europa soll noch in diesem Jahr über eine Zulassung entschieden werden.

Professorin Kathrin Reetz ist Präsidentin der Deutschen Hirnstiftung.
Professorin Kathrin Reetz ist Präsidentin der Deutschen Hirnstiftung. © UniKlinik Aachen | UniKlinik Aachen

Diese Antikörper von Lecanemab richten sich gegen Beta-Amyloide, also Proteinverbindungen, die sich im Gehirn festsetzen und dessen Leitungsfähigkeit einschränken. Prof. Reetz: „Die bisherigen Studien zu Lecanemab fielen positiv aus. Demnach konnte dadurch nicht nur Beta-Amyloid im Gehirn reduziert werden, sondern auch das Fortschreiten der Krankheit über einen Zeitraum von 18 Monaten um 27 Prozent verlangsamt werden. Die Patienten konnten Alltagsaktivitäten außerdem deutlich besser bewältigen.“

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Ganz wichtig: Durch die Antikörper kann die Alzheimer-Krankheit zwar hinausgezögert, aber nicht geheilt werden. Es gibt zudem auch Nebenwirkungen, demnach konnten Mikroblutungen und Schwellungen im Gehirn bestimmter Patienten beobachtet werden. Betroffen waren davon etwa 12,5 Prozent der Teilnehmer einer entsprechenden Studie.

Aber: Sollte es zu einer Zulassung dieser Therapien kommen, wird das europäische Gesundheitswesen auch vor eine große Herausforderung im klinischen Alltag gestellt. Zunächst muss die Alzheimer-Erkrankung bei den Betroffenen zweifelsfrei festgestellt werden. Zudem müsste die Eignung überprüft werden, zum Beispiel, ob der Patient neben der Alzheimer-Krankheit noch andere Krankheiten hat, und auch, welche Medikamente er gegebenenfalls einnimmt.

Weitere Herausforderung: Lecanemab muss alle zwei Wochen unter fachärztlicher Aufsicht per „Tropf“ verabreicht werden. Zusätzlich sind zu Beginn alle drei Monate Kontrollen per Kernspintomografie fällig. Auch die Kosten spielen eine entscheidende Rolle: Im Vergleich zu anderen Therapien wäre eine Antikörpertherapie für den Einzelnen zwar nicht extrem kostspielig. Da es sich jedoch um eine häufige Erkrankung handelt und viele Menschen für die Behandlung infrage kommen würden, wäre die Gesamtbelastung für das Gesundheitsbudget enorm. „Auch deshalb muss die Prävention an Bedeutung gewinnen“, sagt Prof. Reetz.

Alzheimer: So können wir unser Risiko senken

„Wir können unser Risiko, an einer Demenz zu erkranken, um etwa 40 Prozent senken. Das ist ein enormes Potenzial, das wir nutzen müssen. Bekannt ist, dass Bewegung, gesunde Ernährung und ausreichend Schlaf maßgeblich das Demenz-Risiko senken. Zu den beeinflussbaren Risikofaktoren gehören aber auch die Depression, soziale Isolation, Hirnverletzungen, Bluthochdruck, erhöhter Alkoholkonsum, Hörminderung, Übergewicht und Diabetes mellitus. Allein durch den Verzicht aufs Rauchen können Sie Ihr Risiko um fünf Prozent senken. Sie können nicht früh genug damit anfangen, sich um Ihre Hirngesundheit zu kümmern!“, bestätigt Prof. Reetz.