Die neue Vereinsführung des HSV hat aus der Vergangenheit gelernt – aber der Hype um den Trainer wird bleiben

Mögen Sie Zinnbauer? Falls ja, dann genießen Sie bestimmt den derzeit großen Hype, der um den neuen HSV-Trainer entfacht worden ist. Josef „Joe“ Zinnbauer ist in Hamburg in aller Munde. Dabei ist eine gravierende Sache bei ihm in Hamburg anders gelaufen als bei seinen Vorgängern. Die Trainer vor ihm wurden allesamt unmittelbar nach ihrer Vertragsunterschrift als Heilsbringer gefeiert und in den Himmel gehoben, bei „Joe“ Zinnbauer aber begann der Rummel erst, nachdem er bewiesen hat, dass er sehr viel von der Arbeit eines Profi-Trainers versteht.

Seine Lebensgeschichte wird rauf und runter erzählt. Er war in der Disco einst ein guter Tänzer, er ist ein „frühreifer“ Unternehmer, war schon mit Mitte 20 Millionär, er spielte Fußball in der Zweiten Liga, er fährt mal Ferrari, Porsche, einen Fiat 500 oder Fahrrad, er lebt mit Freundin Irena zusammen, er ist ein großer Motivator, er angelt gelegentlich „ganz dicke“ Fische, er hat einen Bruder namens Christian (der ihm wie ein Zwilling ähnelt), er wird in Hamburg „Magic Joe“ oder auch „Little Joe“ genannt, er hat einen Sohn namens Dominic, er wurde im Sommer 2014 Fußballlehrer, er mag laut „Bild“ Spätzle, Wein, die Krimi-Serie „Tatort“, Helene Fischer und vieles mehr. Und demnächst werden sich dann seine Lehrerin, seine erste Liebe und die Nachbarin Frau Schmitz über den Zinnbauer „Joe“ äußern – ganz sicher.

Sehr zu meiner Freude übrigens, ich gönne ihm den Rummel. Er hat ihn sich verdient, denn: Der 44 Jahre alte Trainer hat schon in wenigen Wochen neue Strukturen und eine andere Kultur in diese Mannschaft gebracht, und, ganz wichtig, er lebt seinen Spielern vor, wie sie ihren Beruf ausüben sollten: mit viel Herz und voller Leidenschaft. Was zuletzt in Hamburg die meisten HSV-Trainer vermissen ließen. Da waren große Namen am Start und nichts dahinter, Zinnbauer ist da aus einem anderen Holz geschnitzt.

Und zum Glück haben das die HSV-Verantwortlichen erkannt. Es war nicht nur die Geldnot, die den Club dazu trieb, die zuletzt erfolglose Mannschaft einem jungen und unbekannten Coach in die Hände zu geben. Die Zeit war nun auch in Hamburg ganz einfach reif dafür. Wer 100 Länderspiele und mehr auf dem Buckel hat, muss nicht unbedingt auch ein guter Trainer sein. Eher ist oft genau das Gegenteil davon bewiesen worden, gerade beim HSV. Und jene Trainer, die nie für die A-Nationalmannschaft spielten, haben in der Bundesliga schon die Oberhand. Da wären in Liga eins die Herren Klopp, Schmidt, Gisdol, Breitenreiter, Hjulmand, Luhukay, Veh, Hecking, Weinzierl, Streich, Dutt und nun Zinnbauer zu nennen.

Dem HSV-Trainer wird intern bescheinigt, die Bodenhaftung noch nicht verloren zu haben, keinen noch so kleinen Hauch von Arroganz zu besitzen, geradeaus und ehrlich zu sein. So zu sehen in einem Interview im „NDR-Sportclub live“ mit Moderator Martin Roschitz. Auf dessen Frage, ob er sich denn nun einen Profi-Vertrag wünsche, antwortete Zinnbauer einsilbig, aber mit einem strahlenden Lächeln: „Ja.“

Dieser Wunsch allerdings, der natürlich berechtigt ist, dürfte bis Weihnachten noch ein Wunsch bleiben. Erstens verdient „Joe“ Zinnbauer beim HSV auch jetzt schon nicht schlecht, zweitens dürfte sich der HSV später, bei entsprechendem Erfolg, durchaus noch finanziell fair erkenntlich zeigen, und drittens hat diese HSV-Führung aus den (Total-)Schäden der Vorgänger ja absolut gelernt. Schnellschüsse sind ebenso verpönt wie Schüsse in den Ofen. Zinnbauer wird weiterhin Vollgas geben, ob nun mit oder ohne Profi-Vertrag. Und der HSV wird es ebenso fleißig und freudig beobachten, mit Sicherheit auch nicht an Lob sparen (wenn angebracht), um dann eiskalt mit einem Profi-Vertrag zuzuschlagen, wenn die Zeit reif ist. Zum Beispiel dann, wenn der Abstieg kein Thema mehr ist.

Bis dahin allerdings braucht „Joe“ Zinnbauer wohl Geduld. Doch es läuft ihm ja nichts davon; aufgeschoben ist auch in diesem Fall nicht aufgehoben. Alles zu seiner Zeit – und der Hype um Zinnbauer wird bei 100 Prozent bleiben. Darüber hinaus aber sollten alle froh sein, dass dieser HSV aus gehabtem Schaden gelernt hat. Endlich.

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