Vor seiner Rückkehr nach Berlin spricht HSV-Profi Pierre-Michel Lasogga über Heimatgefühle, Vertrauen, Kritik und seinen Traum von der Nationalmannschaft

Hamburg. Am Mittwochmorgen war Pierre-Michel Lasogga wieder in seinem Element. Nach dem Vormittagstraining musste der HSV-Profi noch Autogramme geben, viele Autogramme. Doch Lasogga schien den Rummel an seiner Person sogar zu genießen. Geduldig arbeitete sich der Stürmer Meter für Meter durch die rund 300 Anhänger. Und Zeit genug für ein längeres Gespräch mit dem Abendblatt über seine erstmalige Rückkehr nach Berlin am Sonnabend (15.30 Uhr) hatte der 22Jahre alte Fußballer auch noch.

Hamburger Abendblatt:

Herr Lasogga, es könnte sein, dass Sie am Sonnabend in Berlin nicht gerade mit offenen Armen empfangen werden.

Pierre-Michel Lasogga:

Ich versuche, mir darüber keine Gedanken zu machen. Ich weiß nicht, wie die Leute auf mich reagieren werden, aber ich glaube nicht, dass sie mich auspfeifen werden. Es gibt auch keinen Grund dafür. Ich habe immer alles für die Hertha-Fans gegeben. Der Weggang von Hertha ist mir sehr schwer gefallen.

Auch hier in Hamburg sind Sie auf Anhieb Publikumsliebling geworden. Haben Sie eine Erklärung, warum Sie offenbar bei Fans gut ankommen?

Lasogga:

Vielleicht liegt das an meiner Art. Ich bin ein Arbeitertyp. Ich haue mich immer rein und gehe ans Limit. Fans haben ein sehr feines Gespür dafür, ob sich einer zerreißt für sie – auch wenn es mal schlecht bei ihm läuft – oder nicht. Für mich persönlich sind die Fans aber vielleicht noch wichtiger als für andere.

Inwiefern?

Lasogga:

Fans geben mir die nötige Bestätigung. Und sie sind brutal ehrlich. Auf dem Feld geben mir die Fans zudem noch einmal einen Extraschub. Ich brauche diese Emotionen von außen. Ich will für die Fans da sein und bin glücklich, wenn sie es auch für mich sind. Das ist fast wie eine Art Dialog, in den wir treten, wenn ich auf dem Feld stehe.

Nachdem Ihr Wechsel zum HSV publik wurde, gab es auch sehr negative Reaktionen der Hertha-Fans im Internet. Wie sind Sie damit umgegangen?

Lasogga:

Wechsel gehören zum Fußball, und ich habe diesen Schritt gemacht, um mich weiterzuentwickeln. Da konnte ich auf die Gefühle der Fans leider keine Rücksicht nehmen. Wenn die Leute mich am Sonnabend auspfeifen, muss ich das akzeptieren – auch wenn es hart für mich wäre.

Haben Sie sich Gedanken darüber gemacht, was sein wird, wenn Sie gegen Hertha treffen? Jubeln oder nicht?

Lasogga:

Ich mache mir schon meine Gedanken darüber, aber zu einem Ergebnis bin ich bisher noch nicht gekommen. Wenn ich treffe, werde ich spontan entscheiden, wie ich damit umgehe. Fakt ist aber, dass ich keine Rücksicht auf meine Gefühle zu Hertha nehmen kann. Ich bin Spieler des HSV, und das sehr gern.

Sie haben noch eine Wohnung in Berlin. Wo, würden Sie sagen, ist Ihr Zuhause?

Lasogga:

Berlin wird mein Zuhause bleiben. Natürlich bleibt das Ruhrgebiet meine Heimat. Dort lebt meine Familie, und ich bin sehr gern dort. Aber irgendwie hat mich Berlin in diesen drei Jahren gefesselt. Ich kam nach Berlin, und dort hat alles für mich gepasst.

Was ist Hamburg für Sie? Kann es dort irgendwann wie in Berlin für Sie werden?

Lasogga:

Das fängt jetzt gerade erst an. Ich war in der vergangenen Saison nur ausgeliehen. Da habe ich die Stadt noch kaum an mich rangelassen. Jetzt fange ich erst an, mir Hamburg zu erschließen. Aber wenn man aus Berlin wegzieht, ist es für die neue Stadt nicht leicht. (lacht)

Was war der ausschlaggebende Punkt, dass Sie sich im Sommer für den HSV und gegen Hertha entschieden haben?

Lasogga:

Es war keine Entscheidung gegen Hertha, sondern eine für den HSV. Beim HSV passiert gerade eine Menge. Durch die Umstrukturierungen entstehen viele Möglichkeiten. Das braucht sicherlich noch seine Zeit, aber ich wollte ein Teil der Mannschaft sein, die den HSV wieder nach oben bringt. Zudem hatte ich das Gefühl, hier in Hamburg richtig in die Mannschaft eingegliedert zu sein. Hier habe ich einfach das große Vertrauen gespürt.

Sind Sie jemand, der das braucht?

Lasogga:

Ja. Wenn man spürt, dass alle hinter einem stehen, dann macht man manchmal auch Tore, bei denen man hinterher gar nicht weiß, wie man das eigentlich hingekriegt hat.

Beim HSV haben Sie jetzt wieder einen neuen Trainer – der dritte in einem Jahr.

Lasogga:

Leider Gottes gehören diese Trainerwechsel heutzutage dazu. Das ist schon manchmal verrückt, wie schnell das alles geht. Aber für uns als Mannschaft ist es zuletzt stetig bergauf gegangen. Jetzt funktionieren wir wieder als Team, jeder ist für den anderen da. Seit dem Spiel gegen München spürt man das bei uns.

Was macht Joe Zinnbauer anders?

Lasogga:

Er ist ein junger Trainer. Er erzeugt einen guten Teamspirit. Wir vertrauen ihm voll und ganz. Er kann uns sehr gut motivieren und pusht uns. Er hält uns auf Spannung und gibt uns Selbstvertrauen. Und das ist wichtig. Man muss als Team das Gefühl haben, dass man auf den Platz geht und jeden Gegner schlagen kann. Und das schafft der Trainer.

Oliver Kreuzer hat eine große Rolle bei Ihrem Wechsel von Hertha zum HSV gespielt. Aber kurz nach der Entscheidung für den HSV musste er gehen. Wie war das für Sie?

Lasogga:

Er hatte einen sehr großen Anteil daran, dass ich in Hamburg geblieben bin. Er hat stark dafür gekämpft. Aber ich bin nur ein Spieler, ich kann nicht beeinflussen, was entschieden wird. Und da ist es nicht wichtig, ob ich mit einem Menschen besonders gut konnte. Es muss dann einfach weitergehen.

Zu Beginn der Saison haben Sie zum ersten Mal wirklich Kritik einstecken müssen. Es hieß, Sie seien nicht fit und brächten nicht die Leistung, die man nach der hohen Ablösesumme von Ihnen erwartet hatte. Wie sind Sie damit umgegangen?

Lasogga:

Kritiker gehören in unserem Sport dazu. Das muss man akzeptieren. Ob man dann auf sie hört, muss jeder selbst für sich entscheiden. Mir war es eigentlich egal, was diese Leute über mich gesagt haben. Ich weiß ja, was ich kann und warum es zum Anfang noch nicht lief. Ich hatte in der Sommervorbereitung eine Knöchelverletzung und habe dadurch fast drei Wochen verpasst. Das war nicht einfach so aufzuholen. Jetzt wird es aber langsam wieder besser.

Es gab neulich sogar einen Zwischenfall bei Ihnen in der Kabine: Valon Behrami hat Sie kritisiert. Sie müssten mehr machen. Wie sind Sie damit umgegangen?

Lasogga:

Man muss sich im Fußball auch mal die Meinung sagen können. Manche Spieler sind emotionaler und müssen einfach raus mit den Dingen, die sie stören. Das ist auch besser, als nichts zu sagen. Aber Valon und ich haben ein sehr gutes Verhältnis zueinander.

Haben Sie während der WM in Brasilien mal daran gedacht, dass Sie mit ein bisschen mehr Glück vielleicht auch hätten bei der Nationalmannschaft dabei sein können?

Lasogga:

Ja, ab und an schon. Ich denke auch, dass die Chancen nicht so schlecht für mich gestanden hätten, wenn ich mich damals in Stuttgart vor dem Testspiel gegen Chile nicht verletzt hätte. Aber wer weiß: Im Fußball geht es ja manchmal schnell.

Gab es seither wieder Kontakt zu Bundestrainer Joachim Löw?

Lasogga:

Nein, noch nicht. Aber die Nationalmannschaft bleibt mein Ziel. So viele echte Stürmer wie mich gibt es ja nicht in Deutschland.

Wie haben Sie das WM-Finale verfolgt?

Lasogga:

Ich war in Berlin und saß mit Freunden beim Public Viewing. Das war schon ein emotionales Spiel. Und klar: Ich wäre sehr gern dabei gewesen.