Der Hamburger SV rutscht trotz des Sieges auf Platz zwei. Jarolim und Zé Roberto treffen aus rund 35 Metern ins leere Berliner Tor.

Berlin. Als Schiedsrichter Günter Perl nach 92 unvergesslichen Minuten die 1:3-Heimniederlage Berlins gegen den HSV besiegelte, vergrub Sascha Burchert seinen Kopf erst mal tief in seinen Handschuhen. Nichts mehr sehen und nichts mehr hören - so wünschte es sich der 19-jährige Torhüter, der an diesem Abend zu zweifelhafter Berühmtheit in Fußball-Deutschland gelangt sein dürfte. Niemand im mit 49.208 Zuschauern gefüllten Olympiastadion hätte in diesem Moment wohl mit Herthas bedauernswertem Keeper, der ohne seine Schuld zur tragischen Figur dieses Spieltags wurde, tauschen wollen. Burchert, der innerhalb von zwei Minuten mit zwei Rettungsaktionen per Kopf ungewollt zwei Fernschusstore des HSV vorbereit hatte, wollte nach dem Schlusspfiff nur noch weg, ließ sich von Ordnern auf schnellstem Weg in die Kabine geleiten. "Den Jungen trifft keine Schuld, für ihn muss man mal eine Lanze brechen. Es ist schon bitter, wie das Publikum ihn anschließend mit Häme bedachte", nahm HSV-Torhüter Frank Rost, der nach eigener Auskunft in seinen 370 Bundesligaspielen keine vergleichbare Situation erlebt hatte, seinen 17 Jahre jüngeren Kollegen demonstrativ in Schutz.

Dabei hatte für Pechvogel Burchert der Arbeitstag ganz entspannt und unspektakulär auf der Auswechselbank begonnen. Neu-Trainer Friedhelm Funkel, der erst am Vortag aus Mallorca eingeflogen und offiziell als Nachfolger des entlassenen Lucien Favre vorgestellt worden war, hatte sich im Tor für den erfahreneren und gerade erst verpflichteten Timo Ochs entschieden. Der 27-Jährige, der zuvor vereinslos war, sollte den verletzten Jaroslav Drobny (leichter Bandscheibenvorfall und Faserriss) ersetzen, konnte sich zunächst sogar über die frühe Führung durch Arne Friedrichs Kopfballtreffer (9.) freuen. Doch kurz nach dem überraschenden Ausgleichstreffer (Eigentor Kaká/24.) musste Ochs mit Oberschenkelproblemen raus - und der bis dato unaufregende Abend Burcherts nahm seinen Lauf.

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Gerade mal sechs Minuten stand der Youngster, der wegen Herthas angespannter Personalsituation vor einer Woche von der U-20-WM in Ägypten zurückbeordert wurde, auf dem Platz, als er in höchster Not vor dem anstürmenden Marcus Berg außerhalb des Strafraums per Kopf retten musste. David Jarolim, dem der Ball 35 Meter vom Tor entfernt genau vor die Füße fiel, reagierte blitzschnell und zirkelte den Ball über Burchert zum 2:1 ins leere Tor.

"Ich hatte erst Angst, dass ich zu hoch geschossen habe. So ein Tor passiert nicht häufig in einem Fußballerleben", freute sich Jarolim später, obwohl es gerade mal zwei Minuten dauerte, ehe der Ball auf beinahe identische Art und Weise erneut ins Berliner Tor befördert wurde. Diesmal war es allerdings Jarolims Mittelfeldpartner Zé Roberto, der Burcherts zweite Kopfballvorlage aus erneut 35 Metern nutzte. "So etwas habe ich in meinen 30 Jahren in der Bundesliga noch nie erlebt", kommentierte Funkel die wahrscheinlich kuriosesten zwei Minuten der Saison, die dem Trainer seinen Einstand gründlich verdarben.

"Manchmal braucht man eben auch ein bisschen Glück", freute sich dagegen Funkels Hamburger Kollege Bruno Labbadia, der nun mit breiter Brust dem Topspiel gegen Ex-Klub Bayer Leverkusen nach der Länderspielpause entgegensieht: "Das wird ein absolutes Spitzenspiel, auf das man sich freuen darf." Gerade mal ein Treffer trennt Neu-Tabellenführer Leverkusen und den nach acht Spieltagen ebenfalls immer noch ungeschlagenen HSV vor dem Gipfeltreffen. Rekordmeister Bayern München hat bereits acht Punkte Rückstand in der Tabelle auf das Führungsduo.

Gegen Leverkusen wieder dabei sein soll dann auch Stürmer Mladen Petric, der in Berlin mit Sprunggelenksproblemen ausgewechselt werden musste. Mehr als die Schmerzen am Knöchel dürfte den Torjäger aber der Streit seines Beraters Volker Struth mit HSV-Chef Bernd Hoffmann beschäftigen (s. Interview). Eine Lösung ist nicht in Sicht. Da dürfte es den Kroaten, der mit der Nationalmannschaft diese Woche auf Katar und Kasachstan trifft, auch nicht trösten, dass man ganz andere Sorgen haben kann. Eine Nachfrage bei Sascha Burchert könnte Aufschluss geben.

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