Bologna/Leipzig. Zahnfunde belegen: Die Ankunft von Homo sapiens auf dem Kontinent besiegelten den Untergang

Eine Studie stützt die Vermutung, dass die Ausbreitung des modernen Menschen in Europa mit dem Untergang der Neandertaler zusammenhängt. Aus der Analyse zweier in Norditalien gefundener Schneidezähne schließen Wissenschaftler im Magazin „Science“, dass der Homo sapiens schon vor etwa 40.000 Jahren Südeuropa besiedelt hatte. Dass die Neandertaler danach binnen weniger Tausend Jahre ausstarben, wertet das deutsch-italienische Forscherteam nicht als Zufall.

Die beiden Milchzähne stammen von den Fundstellen Riparo Bombrini in Nordwestitalien und Grotta di Fumane bei Verona. Gefunden wurden sie in Schichten, die der Kultur des Proto-Aurignacien zugeordnet werden. Diese Phase begann in Südeuropa vor etwa 42.000 Jahren und geht mit Schmuck wie etwa durchbohrten Muschelschalen und sehr einfachen Werkzeugen einher. Allerdings war bislang nicht gesichert, ob diese Kultur auf Neandertaler oder den Homo sapiens zurückgeht. Dies lag auch daran, dass Forscher bislang keine Knochen eindeutig einer von beiden Arten zuordnen konnten.

Die Wissenschaftler um Stefano Benazzi von der Universität Bologna analysierten nun zwei Schneidezähne, die an beiden Orten gefunden wurden, mit verschiedenen Verfahren. Beim Bombrini-Zahn deutet die Dicke des Zahnschmelzes darauf hin, dass er von einem Homo sapiens stammt. Bei Neandertalern sei diese Schicht dünner. Aus dem Fumane-Zahn konnten die Forscher dagegen mitochondriale DNA (mtDNA) isolieren. Diese stammt aus den Mitochondrien, den Kraftwerken der Zellen, und wird nur über die Mutter weitergegeben.

Die Zähne datieren sie auf ein Alter von bis zu 41.000 Jahren

Das Erbgut verglichen sie dann unter anderem mit dem von modernem Menschen, Neandertaler, Denisona-Menschen und Schimpanse. Der Träger habe die mitochondriale DNA eines modernen Menschen, schreiben die Forscher. „Das zeigt, dass dieses Individuum ein moderner Mensch war oder zumindest einige Vorfahren hatte, die moderne Menschen waren“, folgern sie. Die Zähne datieren sie auf ein Alter von bis zu 41.000 Jahren. Dies zeige, dass Menschen der Proto-Aurignacien-Kultur sich schon damals entlang der Mittelmeerküste nach Europa ausgebreitet hätten. Dies überlappe sich mit den späten Neandertaler-Populationen, betonen sie und schließen, dass die Ausbreitung des Proto-Aurignacien daher eine Ursache (entweder direkt oder indirekt) für das Aussterben der Neandertaler gewesen sein könnte, zumindest in Norditalien.

„Die Zuordnung von Überresten moderner Menschen zum Proto-Aurignacien unterstützt die Annahme, dass die Ankunft von Homo sapiens auf dem Kontinent den Untergang der Neandertaler, die einige Tausend Jahre später verschwanden, ausgelöst hat“, sagt ­Ko-Autor Jean-Jacques Hublin vom Leipziger Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie.