Leipziger nutzten neue Techniken, um Erbgut präziser auszulesen. Forscher hatten die DNA aus dem Zehenknochen eines Neandertalers extrahiert.

Leipzig. Von einer "Arbeitsversion" sprachen Forscher um Svante Pääbo vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig, als sie 2010 eine Analyse von 60 Prozent des Neandertaler-Genoms veröffentlichten. Das dazu benötigte Erbgut hatten sie aus drei Neandertalerknochen aus einer Höhle in Kroatien gewonnen. Am Dienstag teilten die Forscher mit, dass sie das Neandertaler-Genom vollständig entschlüsselt hätten. Dieses Mal hatten sie die DNA aus dem Zehenknochen eines Neandertalers extrahiert, der in der Denisova-Höhle in Südsibirien ausgegraben worden war. In der Höhle lebten vor etwa 50.000 Jahren sowohl Neandertaler als auch Denisova-Menschen - ob zugleich, ist unklar.

Bei der Genanalyse von 2010 lasen die Leipziger rechnerisch die Position jeder Base im Erbgut im Durchschnitt nur einmal (bei der Sequenzierung werden nur Teilstücke der DNA ausgelesen). Für die jetzt vorgestellte Version lasen die Forscher mit neuen Techniken im Durchschnitt jede Base etwa 50-mal. Die so erzielte Genauigkeit reicht nach ihren Angaben aus, um von einer "vollständigen" Entschlüsselung des Neandertaler-Genoms zu sprechen.

Die Analyse der DNA zusammen mit weiteren Genomsequenzen anderer Neandertaler und der DNA aus einem Fingerknochen aus derselben Höhle zeigte, dass dieses Individuum eng verwandt sei mit anderen Neandertalern in Europa und Westrussland. "Wir sind nun dabei, dieses Neandertaler-Genom mit dem Genom des Denisova-Menschen und den Genomen weiterer Neandertaler zu vergleichen", sagte Pääbo. "So werden wir unser Wissen darüber erweitern, welche Veränderungen in den Genomen moderner Menschen auftraten, nachdem sie einen anderen evolutionären Weg einschlugen als die Vorfahren der Neandertaler und Denisova-Menschen."