Anthropologen aus Kuwait und Leipzig stellen etablierte Forschungsmethode infrage. Hamburger Biologe sieht keinen Widerspruch zu seiner Arbeit

Leipzig/Hamburg. Um die Evolution von Tieren und Menschen besser zu verstehen, analysieren einige Forscher, wie bestimmte Bestandteile in pflanzlicher Nahrung, sogenannte Phytolithe, den Zahnschmelz verschleißen. Anhand solcher Spuren rekonstruieren sie, wie sich ausgestorbene Säugetiere, einschließlich unserer Vorfahren, ernährt haben. Nach diesem Prinzip arbeitet auch ein Team um den Hamburger Biologen Thomas Kaiser.

Eine neue Studie stellt die Bedeutung der Phytolithe nun infrage: Demnach ist für die Abnutzung von Zahnschmelz vor allem Quarzstaub verantwortlich, der aus dem Boden als Staub auf Pflanzen gelangt. In Pflanzen enthaltene Silica-Phytolithe hingegen verschleißten den Zahn nur geringfügig, berichtet ein internationales Team um Peter Lucas von der Universität Kuwait im "Journal of the Royal Society Interface". Forscher müssten überdenken, was der Verschleiß tatsächlich über die Ernährungsgewohnheiten von Säugetieren verraten könne, heißt es in einer Mitteilung des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie in Leipzig, das an der Studie beteiligt ist.

Das Team um Peter Kurz hatte Partikel aus kristallinem Quarz auf Titaniumstäbe aufgetragen und damit über flache Zahnschmelzoberflächen gestrichen. Bereits bei extrem geringer Krafteinwirkung hätten die Partikel Teile des Zahnschmelzes abgeschliffen, berichten die Forscher. Dagegen hätten versteinerte Überreste von Phytolithen aus Pflanzen bei ihren Tests unter denselben Bedingungen zwar winzige Einkerbungen erzeugt, aber keinerlei Gewebe abgetragen. "Diese Studie zeigt, dass Phytolithe sich auf den Verschleiß der Zähne auswirken, jedoch auf eine andere Art und Weise, als bisher angenommen worden ist", sagt Amanda Henry vom Leipziger Max-Planck-Institut.

Der Hamburger Forscher Thomas Kaiser sieht in den Erkenntnissen keinen Widerspruch zu seiner Vorgehensweise. "Die in Pflanzen enthaltenen Phytolithe verändern die Morphologie des Zahns in jedem Fall, indem sie seine Oberfläche glätten, deshalb sollte man ihre Rolle nicht ignorieren", sagt Kaiser. "Auf das Volumen des Zahnschmelzes haben die Phytolithe zwar nur einen geringen Einfluss, dennoch sind sie wichtig für die gesamte Signatur, die wir durch einen Zahnabdruck gewinnen." Kaisers Team nutzt unter anderem einen Vorher-nachher-Test: Erst studieren die Forscher die Zahnabdrücke von Versuchstieren etwa bei einer Ernährung mit Gras, dann einige Wochen später erneut, nachdem die Ernährung auf Blätter umgestellt wurde.

Um den Einfluss des aus dem Boden stammenden Quarzes zu simulieren, werde dieser dem Futter der Versuchstiere beigemischt, sagt Kaiser. Aus dem Abgleich der Zahnabdrücke von den Versuchstieren mit Zähnen von ausgestorbenen Tieren lasse sich dann zwar nicht exakt auf bestimmte Nahrungsbestandteile, also etwa eine Pflanzenart schließen, aber man könne sich den Nahrungsgewohnheiten zumindest annähern.