Euro-Gruppenchef Dijsselbloem reist nach Athen, um zu verhandeln. Finanzminister Varoufakis hat eigene Pläne

Athen/Berlin. Zwischen der neuen griechischen Regierung und der Euro-Gruppe ist es zu einem Eklat gekommen. Griechenland werde künftig nicht mehr mit den Geldgeber-Kontrolleuren der Troika zusammenarbeiten, sagte der Finanzminister Gianis Varoufakis nach einem Treffen mit Euro-Gruppenchef Jeroen Dijsselbloem in Athen. Das auferlegte Sparprogramm sei nicht umsetzbar. Das griechische Volk habe es bei den Wahlen vergangenen Sonntag abgelehnt. Dijsselbloem forderte die Griechen auf, ihre Versprechungen einzuhalten. Eine internationale Konferenz über einen Schuldenschnitt, wie die neue Regierung sie fordert, lehnte Dijsselbloem ab. „Es gibt bereits eine solche Konferenz und die heißt Euro-Gruppe.“ Die Reformkontrollen der Troika von der EU-Kommission, dem Internationalen Währungsfonds und der Europäischen Zentralbank werden von vielen Griechen als Bevormundung abgelehnt.

Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) haben der neuen griechischen Regierung unter Führung des linksradikalen Syriza-Bündnisses klargemacht, dass ein Schuldenschnitt nicht infrage kommt. „Es gab schon einen freiwilligen Verzicht der privaten Gläubiger, Griechenland wurden von den Banken bereits Milliarden erlassen. Einen weiteren Schuldenschnitt sehe ich nicht“, stellte Merkel in einem Interview mit dem Abendblatt klar. Die Bundesregierung dementierte zudem einen „Spiegel“-Bericht, wonach Berlin bereit sei, Griechenland ein weiteres Hilfsprogramm aus dem Euro-Rettungsschirm zu gewähren. Das neue Rettungspaket benötige ein Volumen von bis zu 20 Milliarden Euro, schreibt das Nachrichtenmagazin unter Berufung auf Regierungskreise. Die Bundesregierung wies den Bericht klar zurück. „Es gibt keine Planung für ein neues Programm“, entgegnete der Sprecher des Finanzministeriums, Martin Jäger, am Freitag in Berlin.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble widersprach der Kritik, Deutschland habe anderen Euro-Ländern einen zu harten Sparkurs aufgezwungen, verliere nun aber an Einfluss in Europa. „Das ist Unfug. Wir leben ja nicht mehr in der Zeit Bismarcks.“ Für alle Entscheidungen in Europa müsse es eine Mehrheit geben, manche Entscheidungen müssen sogar einstimmig getroffen werden. „Auch deshalb sind die Regeln und der Stabilitätspakt alles andere als ein deutsches Diktat.“

Am Donnerstag war EU-Parlamentspräsident Martin Schulz nach Athen gereist. Danach hieß es, die ursprünglichen Angaben zweier Syriza-Minister, wonach laufende Privatisierungen rückgängig gemacht werden sollten, seien vorschnell gewesen. Es seien eben junge Kollegen, das müsse man ihnen nachsehen. Grund für diese scheinbare Kehrtwende war freilich nicht der warnende Zeigefinder der EU, sondern die brutale Reaktion der Märkte. Denn wegen des angekündigten Privatisierungsstopps war die Athener Börse eingebrochen.

Wie schon Schulz hatte auch Dijsselbloem im Vorfeld signalisiert, dass er (im Gegensatz zu Syriza) einen offen konfrontativen Ton vermeiden wolle. Er zeichnete auch konkret vor, dass es trotz allem Erleichterungen für Griechenland geben könne. Man habe bereits im Jahr 2012 gesagt: „Wenn Griechenland alle Auflagen erfüllt und einen primären Überschuss erwirtschaftet und die ökonomische Lage es erfordert – ein wichtiger Gesichtspunkt –, dann, so haben wir schon damals gesagt, könnten wir über weitere Erleichterungen reden.“ Das könnten beispielsweise Zinssätze und Laufzeiten der Rettungskredite betreffen, zudem könne man über Maßnahmen reden, wie man der griechischen Wirtschaft zu mehr Wachstum verhelfen könne.

Auf die Frage, ob denn also im Umkehrschluss Griechenland aus der Euro-Zone verstoßen würde, wenn es sich nicht an die Abmachungen hält, sagte Djisselbloem: „Nein, das will ich nicht sagen“ – er gehe nämlich davon aus, dass die Griechen sich an die Abmachungen halten werden.

Ganz anders klang es in Athen: Dijsselbloems Besuch sei der Beginn des Verhandlungsprozesses, an dessen Ende die von Syriza geforderte Neuregelung der Schuldenfrage stehen werde. Zugleich wurde bekannt, dass Finanzminister Varoufakis schon bald nach Frankreich und Italien reisen wolle – beides hoch verschuldete Länder –, wohl um zu versuchen, mit ihnen eine Koalition in der EU gegen die sparsamen Deutschen aufzubauen. Das Problem: Tsipras braucht einen Erfolg, um den Wählern gegenüber nicht als vollmundiger Windbeutel dazustehen. Immerhin hat er ihnen im Wahlkampf einen 50-prozentigen Schuldenschnitt in Aussicht gestellt und dass die andere Hälfte der Schulden erst so spät gezahlt werden müsse, dass die gegenwärtige Generation nicht mehr davon betroffen wäre. Umgekehrt kann die EU das nicht hinnehmen, weil sonst andere hoch verschuldete Länder ihre künftige Ausgabenpolitik danach richten könnten – und mehr Schulden machen.

Eine Gesamtlage, die schnelle Klärungen unmöglich macht. So klang es denn auch nach Ende der Gespräche: Es gebe „keine Ergebnisse oder Beschlüsse“, sagte der Euro-Gruppenchef. Man habe „denkbare Lösungen besprochen“. Damit lebt er offenbar in einer ganz anderen Welt als Finanzminister Varoufakis. Der sagte: „Griechenland wird nicht mehr mit der Troika zusammenarbeiten“ – also mit den der Europäischen Zentralbank, dem Weltwährungsfonds und der Euro-Gruppe. Mit Leuten wie Dijsselbloem also, der extra angereist war, um zu verhandeln.