Entwicklungsminister Niebel will die 100 Millionen Euro pro Jahr vom Willen des Präsidenten zu demokratischen Reformen abhängig machen.

Kairo/Berlin. Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) will die deutsche Hilfe für Ägypten vom Willen Präsident Mohammed Mursis zu demokratischen Reformen abhängig machen. „Herr Mursi sollte keinen Zweifel zulassen, dass Ägypten sich auf dem Weg der Demokratie befindet. Das erwarten die Ägypter zu Recht von ihm, und daran werden auch wir ihn messen“, sagte Niebel der „Bild“-Zeitung (Donnerstagsausgabe). Deutschland fördert Ägypten mit fast 100 Millionen Euro pro Jahr.

Laut Ministerium sind Mitte Dezember Regierungsverhandlungen mit Kairo über die künftige Entwicklungshilfe geplant. „Dort wird über unsere weitere Zusammenarbeit entschieden“, sagte Niebel. Die Vermittlung der Waffenruhe im Gaza-Konflikt habe gezeigt, dass Ägypten ein Schlüsselland der islamischen Welt sei. „Deshalb beobachten wir die Situation sehr intensiv.“

Die Proteste gegen den Kurs der islamistischen Führung in Ägypten gehen unterdessen weiter. Zwar leerte sich der Tahrir-Platz in Kairo am frühen Mittwochmorgen, nachdem sich rund um den Platz am Vorabend mehr als 300.000 Ägypter versammelt hatten. Ein harter Kern von einigen hundert Demonstranten setzte die Protestaktion gegen die Verfassungserklärung von Präsident Mohammed Mursi jedoch fort und wurde von der Polizei mit Tränengas attackiert.

In der Nacht war es in zahlreichen nördlichen Provinzstädten zu Straßenkämpfen gekommen. In der Industriestadt Al-Mahalla zählte man am Morgen 300 Verletzte. In Damanhur und Alexandria kam es zu Angriffen auf Büros der Muslimbruderschaft. In Al-Mansura setzten Gegner der Islamisten nach Angaben der Zeitung „Al-Masry Al-Youm“ das Büro der von den Muslimbrüdern gegründeten Partei für Freiheit und Gerechtigkeit (FJP) in Brand. Bei Zusammenstößen zwischen Muslimbrüdern und säkularen Demonstranten in der Provinzstadt wurden 19 Menschen verletzt.

Auch der Streik der Richter wurde am Mittwoch in zahlreichen Städten fortgesetzt. In der Provinzstadt Tanta im Nil-Delta versammelten sich nach Medienberichten die Richter, um über ihr weiteres Vorgehen zu beraten. Die Richter wollen durch einen Streik erzwingen, dass Mursi die Entscheidungen zurücknimmt, mit denen er sich selbst und den von Islamisten dominierten Verfassungsrat dem Zugriff der Justiz entzogen hatte. Der Bürochef des Präsidentenamtes, Mohammed al-Tahtawi, schloss einen Rückzieher Mursis jedoch kategorisch aus, berichteten lokale Medien.

Der Vize-Parteichef der FJP, Essam al-Arian, sagte in einem TV-Interview beschwichtigend, die Verfassungserklärung sei nur vorübergehend. Sie werde mit dem Inkrafttreten einer neuen Verfassung null und nichtig. Die säkularen Parteien wollen jedoch eine Verfassung nach dem Geschmack der Islamisten nicht zulassen.