Potsdam/Unterföhring. Ein Bundestagskandidat der Piraten feierte den Schuss auf die Polizistin in Unterföhring. Die Partei zieht weitreichende Konsequenzen.

Ein Bundestagskandidat der Piratenpartei aus Potsdam hat mit einem Tweet zu der lebensgefährlich verletzten Polizistin Fassungslosigkeit und Empörung ausgelöst. Sein Landesverband lässt wegen des menschenverachtenden Tweets nun die Wahl sausen: Die Piratenpartei in Brandenburg wird nicht mit ihrer Liste an der Bundestagswahl teilzunehmen. „Es gilt hier ein Zeichen zu setzen, dass wir Piraten uns deutlich von den Äußerungen eines Listenkandidaten distanzieren“, sagte Guido Körber, 2. Vorsitzender und ehemaliger Listenkandidat, in einer Mitteilung.

Der Potsdamer Thomas Goede hatte geschrieben: „So ein Tag, so wunderschön wie heute. Weg mit dem Bullendreck. Ich mach mal den Champus auf.“ Dazu schrieb er „ACAB“ – oft gebraucht als Abkürzung für die englische Variante von „Alle Polizisten sind Bastarde“.

Bundes-Vize drängt auf Parteiausschluss

Der Landesverband und Funktionäre der Piratenpartei distanzierten sich noch am Dienstag von dem Mann, auf dem zehnten Platz der Liste der Brandenburger Piraten für die Bundestagswahl stand. So schrieb Carsten Sawosch, stellvertretender Bundesvorsitzender der Piraten, er werde „alles dransetzen, dass die Partei schnellstens ein Mitglied weniger haben wird!“ Der Polizistin drücke er alle Daumen, schrieb er. Zum Parteiausschluss kommt es allerdings nicht, nachdem Goede von Ämtern zurückgetreten ist und sein Potsdamer Verband Ordnungsmaßnahmen gegen ihn beschlossen hat.i

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Dafür hat der Landesvorstand dann in einer Sondersitzung am Mittwoch entschieden, nicht mehr zur kommenden Wahl anzutreten, so Körber: Die Aussagen verstießen gegen alles, wofür die Partei stehe. Keiner der anderen Listenkandidaten wolle weiterhin in dieser Zusammensetzung kandidieren. „Menschenverachtende Bemerkungen müssen Konsequenzen haben – auch wenn sie schmerzhaft sind“, sagte Körber. Die Landeswahlleitung solle am Donnerstag offiziell informiert werden.

Ein 37 Jahre alter Randalierer hatte nach einer Schlägerei in der Flughafen-S-Bahn einem Streifenbeamten bei einer Rangelei die Dienstwaffe entwendet und die Polizistin mit einem Schuss lebensgefährlich verletzt. Auch zwei unbeteiligte Reisende erlitten Treffer in Arm und Bein, als der Mann das Magazin leer feuerte. Die Deutsche Polizeigewerkschaft in Berlin reagierte auf Twitter mit „ungläubigem Entsetzen: Wie können Menschen einem anderen sowas wünschen?“

Die Polizei erklärte am Nachmittag, bei ihr seien neun Hinweise und Anzeigen wegen des Tweets eingegangen. Der Staatsschutz prüfe jetzt, ob die Äußerung strafbar sei. In Frage kämen etwa Beleidigung oder die Billigung von Straftaten, hieß es bei der Polizeidirektion West. Zudem werde noch der Inhaber des Twitter-Accounts und der Ersteller ermittelt.

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    Nur wenige Follower auf Twitter

    Goede hatte seinen Tweet gelöscht, sich aber zunächst an einer Rechtfertigung versucht: „Viele finden die Reaktion scheiße, aber keiner macht sich Gedanken, warum sowas entsteht. Menschen halt.“ Auf Twitter war der frühere Vorsitzende der Piraten Potsdam bisher wenig aufgefallen, am Dienstagabend hatte er gerade mal 72 Follower, darunter einige, die am Dienstag hinzugekommen waren. Dann schaltete er seinen Account auf privat.

    Zuvor war er anderen Nutzern noch damit aufgefallen, dass er Angriffe auf eine Duisburger Gaststätte mit einem Smiley kommentiert hatte: „Zivilcourage nennt sich das.“ Der Wirt gibt auf, nachdem zuletzt mit Äxten seine Fensterfront eingeschlagen wurde und es zuvor Drohbriefe der Antifa gegeben habe. Der Gastronom, nach eigenen Angaben SPD-Mitglied, stellte sein Lokal auch der AfD zur Verfügung und vermutet hierin den Grund für die Angriffe. Goede wird nun in Tweets selbst übel beschimpft und bedroht. (law/dpa)