Paris/Brüssel/Berlin. Die Erwartungen an den neuen französischen Präsidenten sind enorm. Doch als Erstes muss er die Parlamentswahlen erfolgreich bestehen.

Als Emmanuel Macron am Sonntagabend vor dem Pariser Louvre-Museum die Arme hochriss und Tausenden Anhängern „Ich danke euch allen!“ entgegenrief, fiel einen Moment lang die ganze Anspannung ab. Erleichterung, Freude und eine Prise Genuss spiegelten sich in seinem Gesicht wider – nach einem der härtesten Wahlkämpfe in der Geschichte Frankreichs.

Viel Zeit zum Innehalten bleibt dem neuen Präsidenten nicht. Im Juni stehen Parlamentswahlen bevor. Ob Macron danach über eine stabile Mehrheit zur Umsetzung seines Regierungsprogramms verfügt, ist offen. Der Chef im Elyséepalast verfügt über keine fest organisierte Partei. Er kann sich nur auf seine vor einem Jahr gegründete „Graswurzel“-Bewegung En Marche stützen. Diese hat mit 230.000 Mitgliedern zwar mehr Anhänger als die sozialistischen und konservativen Traditionsparteien zusammen. Doch sie muss innerhalb von sechs Wochen in eine schlagkräftige Partei verwandelt werden.

So feiert Frankreich den Sieg von Macron

Nach seinem Sieg bei der Wahl feiern die Franzosen Emmanuel Macron.
Nach seinem Sieg bei der Wahl feiern die Franzosen Emmanuel Macron. © dpa | Thibault Camus
Der sozialliberale Macron ist der neugewählte Präsident Frankreichs. Er konnte die Stichwahl um das Präsidentenamt gegen Marine Le Pen vom Front National für sich entscheiden.
Der sozialliberale Macron ist der neugewählte Präsident Frankreichs. Er konnte die Stichwahl um das Präsidentenamt gegen Marine Le Pen vom Front National für sich entscheiden. © Getty Images | David Ramos
In einer feierlichen Ansprache versprach er, die tiefen Gräben in der französischen Gesellschaft zu überbrücken.
In einer feierlichen Ansprache versprach er, die tiefen Gräben in der französischen Gesellschaft zu überbrücken. © dpa | Michael Kappeler
„Ich weiß um die Teilung unserer Nation, die manche dazu gebracht haben, extremistische Parteien zu wählen“, sagte der pro-europäische Linksliberale am Sonntagabend in Paris..
„Ich weiß um die Teilung unserer Nation, die manche dazu gebracht haben, extremistische Parteien zu wählen“, sagte der pro-europäische Linksliberale am Sonntagabend in Paris.. © dpa | Philippe Lopez
Die nächsten fünf Jahre trage er Verantwortung dafür, Ängste zu dämpfen und den Franzosen den Optimismus zurückzugeben.
Die nächsten fünf Jahre trage er Verantwortung dafür, Ängste zu dämpfen und den Franzosen den Optimismus zurückzugeben. © dpa | Emilio Morenatti
Um kurz vor 23 Uhr war Macron begleitet von der Europahymne im Innenhof des Louvre vor seine Anhänger getreten.
Um kurz vor 23 Uhr war Macron begleitet von der Europahymne im Innenhof des Louvre vor seine Anhänger getreten. © REUTERS | POOL
Am Ende seiner Ansprache trat seine sichtlich bewegte Frau Brigitte zu Emmanuel Macron auf die Bühne. Kurze Zeit später folgte der Rest der Familie.
Am Ende seiner Ansprache trat seine sichtlich bewegte Frau Brigitte zu Emmanuel Macron auf die Bühne. Kurze Zeit später folgte der Rest der Familie. © dpa | Michael Kappeler
Anhänger des Kandidaten Macron feierten, schwenkten Fahnen und jubelten ihrem neuen Präsidenten nach dessen Sieg auf einer Bühne am Louvre in Paris zu.
Anhänger des Kandidaten Macron feierten, schwenkten Fahnen und jubelten ihrem neuen Präsidenten nach dessen Sieg auf einer Bühne am Louvre in Paris zu. © dpa | Michael Kappeler
Um ihren neuen Präsidenten besser sehen zu können, kletterten Macrons Anhänger auf Laternen- und Ampelmasten.
Um ihren neuen Präsidenten besser sehen zu können, kletterten Macrons Anhänger auf Laternen- und Ampelmasten. © dpa | Michael Kappeler
Hand in Hand wurde die Nationalhymne – die Marseillaise – gesungen.
Hand in Hand wurde die Nationalhymne – die Marseillaise – gesungen. © dpa | Thibault Camus
Nach fast vollständiger Auszählung der Stimmen erreichte Macron in der Stichwahl gut 66 Prozent, Le Pen knapp 34 Prozent. Le Pen holte damit nach Anzahl der Stimmen das beste Ergebnis in der Geschichte ihrer rechtsextremen Partei Front National – obwohl die politische Mitte sich nach dem ersten Wahlgang hinter Macron gestellt hatte, um Le Pen zu verhindern. Gut 10,6 Millionen Franzosen votierten für die 48 Jahre alte Kandidatin.
Nach fast vollständiger Auszählung der Stimmen erreichte Macron in der Stichwahl gut 66 Prozent, Le Pen knapp 34 Prozent. Le Pen holte damit nach Anzahl der Stimmen das beste Ergebnis in der Geschichte ihrer rechtsextremen Partei Front National – obwohl die politische Mitte sich nach dem ersten Wahlgang hinter Macron gestellt hatte, um Le Pen zu verhindern. Gut 10,6 Millionen Franzosen votierten für die 48 Jahre alte Kandidatin. © REUTERS | REGIS DUVIGNAU
Die Wahlbeteiligung lag bei knapp 75 Prozent, rund drei Prozentpunkte niedriger als im ersten Wahlgang vor zwei Wochen.
Die Wahlbeteiligung lag bei knapp 75 Prozent, rund drei Prozentpunkte niedriger als im ersten Wahlgang vor zwei Wochen. © dpa | Michael Kappeler
Wie hier in Lyon feierten Anhänger von Macron im ganzen Land seinen deutlichen Sieg.
Wie hier in Lyon feierten Anhänger von Macron im ganzen Land seinen deutlichen Sieg. © REUTERS | ROBERT PRATTA
So auch hier in einem Büro von seiner Bewegung „En Marche!“ in Marseille.
So auch hier in einem Büro von seiner Bewegung „En Marche!“ in Marseille. © REUTERS | PHILIPPE LAURENSON
Außer Rand und Band.
Außer Rand und Band. © REUTERS | PHILIPPE LAURENSON
Vor allem junge Franzosen ...
Vor allem junge Franzosen ... © dpa | Laurent Cipriani
... konnte der 39-Jährige mit seinem pro-europäischen Kurs überzeugen.
... konnte der 39-Jährige mit seinem pro-europäischen Kurs überzeugen. © dpa | Laurent Cipriani
Feiernde und glückliche Anhänger Macrons.
Feiernde und glückliche Anhänger Macrons. © dpa | Michael Kappeler
Feiernde und glückliche Anhänger Macrons.
Feiernde und glückliche Anhänger Macrons. © dpa | Michael Kappeler
Ein Anhänger hält ein Foto von Emmanuel Macron vor dem Hauptquartier seiner Bewegung „En Marche!“ in Paris hoch.
Ein Anhänger hält ein Foto von Emmanuel Macron vor dem Hauptquartier seiner Bewegung „En Marche!“ in Paris hoch. © dpa | Emilio Morenatti
Französische Bereitschaftspolizisten sicherten am Sonntagabend die Umgebung. Berichten zufolge kam es nach dem Sieg Macrons zu Protesten gegen die Wahl und das Wahlsystem.
Französische Bereitschaftspolizisten sicherten am Sonntagabend die Umgebung. Berichten zufolge kam es nach dem Sieg Macrons zu Protesten gegen die Wahl und das Wahlsystem. © dpa | Joel Goodman
Aus Freude über den Sieg schwenkt ein Anhänger Europafahnen – gemeinsam mit der französischen Landesflagge, der Trikolore.
Aus Freude über den Sieg schwenkt ein Anhänger Europafahnen – gemeinsam mit der französischen Landesflagge, der Trikolore. © REUTERS | GONZALO FUENTES
Tristesse dagegen bei Anhängern der rechtsextremen Le Pen schon vor Bekanntwerden der ersten Hochrechnungen. Ihre Niederlage hatte sich bereits zum Nachmittag abgezeichnet.
Tristesse dagegen bei Anhängern der rechtsextremen Le Pen schon vor Bekanntwerden der ersten Hochrechnungen. Ihre Niederlage hatte sich bereits zum Nachmittag abgezeichnet. © REUTERS | EMMANUEL FOUDROT
Le Pen räumte ihre Niederlage vor ihren Anhängern in Paris ein. Die Front-National-Politikerin sagte, sie habe Macron angerufen, um ihm zu gratulieren. Sie bezeichnete ihr Ergebnis als „historisch und massiv“.
Le Pen räumte ihre Niederlage vor ihren Anhängern in Paris ein. Die Front-National-Politikerin sagte, sie habe Macron angerufen, um ihm zu gratulieren. Sie bezeichnete ihr Ergebnis als „historisch und massiv“. © REUTERS | CHARLES PLATIAU
Die Franzosen hätten damit „die Patriotische und Republikanische Allianz zur ersten Oppositionskraft zum Programm des neuen Präsidenten gemacht“.
Die Franzosen hätten damit „die Patriotische und Republikanische Allianz zur ersten Oppositionskraft zum Programm des neuen Präsidenten gemacht“. © REUTERS | PASCAL ROSSIGNOL
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En Marche schickt viele neue Gesichter ins Rennen

En Marche will in allen 577 Wahlkreisen mit eigenen Kandidaten antreten. Allerdings hat Macron versprochen, zur Hälfte „unverbrauchte Gesichter“, politische Neulinge, aufzustellen. Selbst wenn die übrige Hälfte aus Überläufern des linken Lagers und der gemäßigten Rechten bestehen dürfte, ist das eine gewagte Strategie. „Wir schaffen es trotzdem“, gibt sich der Führungsstab zuversichtlich.

Vor allem jedoch muss Macron nun jene Bürger auf seine Seite holen, die nicht oder nur mit großen Bedenken für ihn gestimmt haben. Gemeint sind keineswegs nur die knapp elf Millionen Le-Pen-Wähler. Die Wahlenthaltung erreichte am Sonntag die für ein Stechen um die Präsidentschaft ungewöhnlich hohe Marke von 25 Prozent. Knapp zwölf Millionen der 47 Millionen Wahlberechtigten hatten sich dem Urnengang verweigert, weitere vier Millionen gaben leere Stimmzettel ab.

Macron muss glaubhafte Zeichen setzen

Der sozialliberale Kandidat Emmanuel Macron mit seine Frau Brigitte.
Der sozialliberale Kandidat Emmanuel Macron mit seine Frau Brigitte. © dpa | Thibault Camus

Bereits diese Umstände relativieren den Eindruck eines Erdrutschsiegs, den der auf Macron entfallene Stimmanteil von 66 Prozent suggeriert. Es kommt hinzu, dass laut den Demoskopen nur ein Drittel seiner Wähler aus Überzeugung für den jungen Präsidenten votierte, ein weiteres Drittel gab ihm nur mangels Alternative ihre Stimme und das letzte Drittel aus Abneigung gegen die rechtsextreme Kandidatin Marine Le Pen.

In den kommenden sechs Wochen wird jeder Schritt, jede Geste des neuen Präsidenten zählen. Macron muss glaubhafte Zeichen setzen, dass er wirklich für eine bessere Zukunft steht und alle Franzosen auf dem Weg dorthin mitnehmen will. Als ersten Hinweis auf die Marschrichtung wird die Berufung seines Premierministers gewertet werden. Steht dieser eher links, eher rechts, oder ist er ein politisch nicht vorbelasteter Vertreter der Zivilgesellschaft? Ebenso aufmerksam wird die Zusammensetzung des Regierungskabinetts verfolgt werden.

Erleichterung in Deutschland nach Wahl in Frankreich

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    Macron will rasch handeln und noch vor den Parlamentswahlen an die Umsetzung seiner Politik gehen. Als eine der ersten Aktionen hat er angekündigt, das Arbeitsrecht im Verordnungswege flexibler zu gestalten und den starren Kündigungsschutz zu lockern. Selbst wenn er dabei mit Augenmaß vorgeht, wird er es mit einer starken Front von grundsätzlichen Reformverweigerern zu tun bekommen. Vier der fünf großen Gewerkschaften haben bereits ihren beinharten Widerstand angedroht. Es winken Massenproteste wie unter den Vorgänger-Präsidenten François Hollande und Nicolas Sarkozy.

    Einen Vorgeschmack lieferten Ausschreitungen, zu denen es noch am Sonntagabend in Paris, Lyon, Nantes, Grenoble, Poitiers, Montpellier und Straßburg kam. Linksradiale und antikapitalistische Gruppierungen waren gegen den „Präsidenten der Banker“ auf die Straße gegangen und hatten die Konfrontation mit der Polizei gesucht. Vor seiner Zeit als Wirtschaftsminister war Macron vier Jahre Partner bei der Pariser Investmentbank Rothschild.

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    fliegen, um Kanzlerin Angela Merkel (CDU) zu treffen. Sie sicherte Macron am Montag ihre Unterstützung zu. Zugleich warnte sie davor, sich in der Debatte nur auf die Forderung nach mehr Geld zu konzentrieren. „Ich möchte helfen, dass in Frankreich auch vor allem die Arbeitslosigkeit sinkt“, betonte sie.

    Aber sie sehe nicht, dass Deutschland dafür als Erstes seine Politik ändern müsse. „Ich glaube, dass es bei der Frage, ob mehr Arbeitsplätze entstehen können, zumindest um sehr viel mehr geht als nur um die Frage, wie viel Geld habe ich für öffentliche Investitionen.“ Hier stehe Frankreich nicht so schlecht da. Sie wolle abwarten, welche Wünsche und Vorstellungen Macron konkret habe. „Ich habe nicht den geringsten Zweifel, dass wir gut zusammenarbeiten werden“, sagte Merkel.

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      Dagegen forderte Außenminister Sigmar Gabriel (SPD), dass Deutschland mehr Geld in Europa investiere. „Wir haben in den Verhandlungen des Koalitionsvertrags zu wenig Wert auf Europa gelegt“, kritisierte er bei der Vorstellung seines Buchs „Neuvermessungen“ mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. „Aber das wird nicht noch mal passieren, da können Sie sichergehen.“ So steckten die Kommunen in Deutschland in einem Investitionsstau von über 100 Milliarden Euro. In den kommenden Tagen wolle er Vorschläge unterbreiten, wie eine von ihm angeregte „deutsch-französische Investitionspartnerschaft“ konkret aussehen könne, sagte Gabriel.

      Juncker unterstützte Gabriels Vorstoß für mehr Investitionen, forderte aber von Macron gleichzeitig einen Kurswechsel in der Haushaltspolitik. „Die Franzosen geben zu viel Geld aus und geben Geld an der falschen Stelle aus“, sagte er. Frankreich verwende inzwischen bis zu 57 Prozent der Wirtschaftsleistung für die öffentlichen Haushalte. „Bei einem relativ hohen Schuldenstand kann das auf Dauer nicht gut gehen.“ Es gehe aber nicht, die französische Lebensart einfach einzureißen. Man müsse wissen, was gehe und was nicht.