Kairo. Wie geht es weiter in Syrien? Die USA stellten nun offiziell klar, dass ein Sturz von Assad nicht mehr zu ihren Prioritäten gehört.

Für Syrien ist es eine der seltenen guten Nachrichten. Europäische Union und Vereinte Nationen trommeln für Dienstag und Mittwoch erneut die internationale Staatenwelt zu einer Konferenz zusammen, die „die Zukunft Syriens und der Region“ unterstützen soll. Insgesamt 70 Nationen und internationale Organisationen sagten sich in Brüssel an. Sie wollen prüfen, inwieweit die Regierungen ihre Finanzzusagen vom Vorjahr auf der Geberkonferenz in London eingehalten haben und ob zusätzliche Gelder für Syrien und seine Nachbarn nötig sind. Im Februar 2016 sagten die Teilnehmer insgesamt sechs Milliarden Dollar für 2016 zu sowie weitere sechs Milliarden für die Jahre 2017 bis 2020.

Denn ein Ende der humanitären Tragödie ist nicht in Sicht. Die Kämpfe gehen trotz des internationalen Waffenstillstands mit großer Härte weiter. Durchschnittlich 5000 Menschen müssen Tag für Tag ihre Häuser aufgeben, um sich in Sicherheit zu bringen. Nach Angaben der UN überschritt dieser Tage die Zahl der syrischen Flüchtlinge erstmals die Marke von fünf Millionen, was knapp einem Viertel der Vorkriegsbevölkerung entspricht.

Libanon drohe unter Flüchtlingslast der Kollaps

Vor drei Monaten, Ende 2016, waren es noch 400.000 Menschen weniger. Weitere sieben Millionen irren im Land umher. 600.000 sind in Hungerenklaven gefangen, die meisten durch das Assad-Regime. Von den 4,6 Milliarden Dollar Nothilfe jedoch, die das UN-Flüchtlingshilfswerk für 2017 braucht, sind bislang lediglich sechs Prozent eingegangen.

Libanons Premierminister Saad Hariri, der am Dienstag in Berlin Angela Merkel trifft, schlug bereits im Vorfeld der Brüsseler Konferenz Alarm. Seinem Land drohe der Kollaps unter der Flüchtlingslast, erklärte er. Mit einer Million Vertriebenen beherbergt der kleine Zedernstaat gemessen an seiner Bevölkerung mehr Flüchtlinge, als jedes andere Land in der Region. Ohne stärkere Hilfe von außen befürchtet Hariri soziale Unruhen zwischen Einheimischen und Syrern. Von der internationalen Gemeinschaft fordert er jährlich 10.000 bis 12.000 Dollar pro Flüchtling über den Zeitraum der nächsten fünf bis sieben Jahre. Das entspräche einer Hilfssumme von mindestens einer Milliarde Dollar pro Jahr.

Einwohner flüchten aus Mossul

weitere Videos

    USA zählt Sturz von Assad nicht mehr zu Prioritäten

    Derweil verschieben sich auf der politischen Ebene die Gewichte weiter zugunsten von Bashar al-Assad. Die USA stellten jetzt erstmals offiziell klar, dass ein Sturz des Diktators nicht mehr zu ihren Prioritäten gehört. „Im Blick auf Assad existiert eine politische Realität, die wir anerkennen müssen“, erklärte der Sprecher des Weißen Hauses, Sean Spicer. In das gleiche Horn hatten zuvor bereits UN-Botschafterin Nikki Haley und US-Außenminister Rex Tillerson gestoßen.

    Der langfristige Status von Präsident Assad werde von den Syrern bestimmt, erklärte Tillerson bei seinem Besuch in Ankara. Haley betonte, man wolle sich darauf konzentrieren, zusammen mit Russland und der Türkei eine politische Lösung des Bürgerkriegs zu erreichen. Die syrische Opposition, die in den letzten Monaten schwere militärische Rückschläge erlitt, reagierte empört und pochte erneut darauf, Assad könne im künftigen Syrien keine Rolle mehr spielen.

    Washington konzentriert sich auf Bekämpfung des IS

    Kein Wunder, dass sich Damaskus bei den Genfer Friedensgesprächen weiterhin starr und kompromisslos zeigt. Das Regime fühlt sich auf der Siegerstraße. Und so konnte UN-Vermittler Staffan de Mistura letzten Freitag nach Ende der fünften Runde wieder keinerlei greifbare Ergebnisse verkünden, auch wenn er beiden Seiten bescheinigte, in den vergangenen neun Tagen ernsthaft miteinander gesprochen zu haben. „Die wirklichen Verhandlungen müssen erst noch beginnen“, sagte der UN-Diplomat, der Fragen auswich, ob er selbst demnächst abgelöst werden könnte.

    Washington dagegen will sich künftig primär auf den Krieg gegen den „Islamischen Staat“ und die Einnahme der IS-Hauptstadt Rakka konzentrieren. Seine Eliteeinheiten sind mit den kurdischen YPG-Milizen und syrisch-arabischen Rebellenverbänden bis auf acht Kilometer an die 300.000-Einwohner-Stadt herangerückt. Die Zahl der US-Luftangriffe hat sich in den letzten Wochen vervielfacht.

    „Sie schießen auf alles, selbst wenn es ein kleines Haus ist oder Fährboote über den Fluss“, sagte ein Syrer, der in der Türkei lebt und regelmäßig mit seiner Familie in Rakka telefoniert. Die Kämpfe konzentrieren sich derzeit auf die Region um den Tabqa-Damm, der den Euphrat staut. Die Offensive gegen das Stadtgebiet soll in den nächsten Wochen beginnen, sobald die Angreifer Rakka komplett umzingelt haben.

    Die Tragödie von Aleppo in Bildern

    Monatelang waren sie in Ost-Aleppo eingeschlossen. Nun konnten Tausende Bewohner die zuvor belagerte Stadt in Syrien verlassen. Eine erste Karawane von Bussen und Krankenwagen verließ Aleppo bereits am Donnerstag.
    Monatelang waren sie in Ost-Aleppo eingeschlossen. Nun konnten Tausende Bewohner die zuvor belagerte Stadt in Syrien verlassen. Eine erste Karawane von Bussen und Krankenwagen verließ Aleppo bereits am Donnerstag. © dpa | Str
    Viele Bewohner Aleppos sind krank, verletzt oder geschwächt, so dass zahlreiche Ambulanzwagen zum Einsatz kamen.
    Viele Bewohner Aleppos sind krank, verletzt oder geschwächt, so dass zahlreiche Ambulanzwagen zum Einsatz kamen. © REUTERS | ABDALRHMAN ISMAIL
    Zu Fuß und – wenn nötig – im Rollstuhl machten sich die Menschen in Ost-Aleppo auf den Weg in die Ungewissheit.
    Zu Fuß und – wenn nötig – im Rollstuhl machten sich die Menschen in Ost-Aleppo auf den Weg in die Ungewissheit. © REUTERS | ABDALRHMAN ISMAIL
    Schon in den vergangenen Tagen hatten sich immer mehr Bewohner des Ostteils von Aleppo auf eigene Faust auf den Weg gemacht, um eine Route aus der Stadt zu finden.
    Schon in den vergangenen Tagen hatten sich immer mehr Bewohner des Ostteils von Aleppo auf eigene Faust auf den Weg gemacht, um eine Route aus der Stadt zu finden. © REUTERS | ABDALRHMAN ISMAIL
    All ihr Hab und Gut packten diese Aleppo-Flüchtlinge auf einen Wagen.
    All ihr Hab und Gut packten diese Aleppo-Flüchtlinge auf einen Wagen. © dpa | Ghith Sy
    Diese zwei jungen Männer rollten ihr Gepäck auf einer Sackkarre durch die Straßen Aleppos.
    Diese zwei jungen Männer rollten ihr Gepäck auf einer Sackkarre durch die Straßen Aleppos. © dpa | Ghith Sy
    Seit Donnerstag warten Tausende Bewohner darauf, aus Ost-Aleppo geleitet zu werden.
    Seit Donnerstag warten Tausende Bewohner darauf, aus Ost-Aleppo geleitet zu werden. © REUTERS | ABDALRHMAN ISMAIL
    Dieser Mann hatte einen Platz in einem der ersten Busse, die Aleppo verließen, ergattert.
    Dieser Mann hatte einen Platz in einem der ersten Busse, die Aleppo verließen, ergattert. © REUTERS | AMMAR ABDULLAH
    Ein scheuer Gruß eines kleinen Mädchens, das mit seiner Mutter aus Aleppo ausgefahren wird. Wie ihre Zukunft aussieht, weiß sie wie so viele nicht.
    Ein scheuer Gruß eines kleinen Mädchens, das mit seiner Mutter aus Aleppo ausgefahren wird. Wie ihre Zukunft aussieht, weiß sie wie so viele nicht. © REUTERS | ABDALRHMAN ISMAIL
    Die Kinder litten in Ost-Aleppo besonder schwer unter den endlosen Bombardements.
    Die Kinder litten in Ost-Aleppo besonder schwer unter den endlosen Bombardements. © dpa | Ghith Sy
    Für die Kinder von Ost-Aleppo muss die Belagerung furchtbar gewesen sein. Diese Jungen machten sich allein auf den Weg zur Evakuierung.
    Für die Kinder von Ost-Aleppo muss die Belagerung furchtbar gewesen sein. Diese Jungen machten sich allein auf den Weg zur Evakuierung. © REUTERS | ABDALRHMAN ISMAIL
    Nach monatelangen Gefechten und Beschuss durch syrische Regierungstruppen und russischen Bomber glich der Ostteil Aleppos einer Trümmerwüste.
    Nach monatelangen Gefechten und Beschuss durch syrische Regierungstruppen und russischen Bomber glich der Ostteil Aleppos einer Trümmerwüste. © REUTERS | ABDALRHMAN ISMAIL
    dpatopbilder - epa05677966 Children sit with their baggage during the evacuation, Aleppo, Syria, 15 December 2016 (issued 16 December 2016). Evacuation of civilians from the rebel-held parts of Aleppo was suspended according to news reports on 16 December 2016. Aleppo's residents have been under siege for weeks and have suffered bombardment, together with chronic food and fuel shortages. EPA/GHITH SY Foto: Ghith Sy/EPA/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++
    dpatopbilder - epa05677966 Children sit with their baggage during the evacuation, Aleppo, Syria, 15 December 2016 (issued 16 December 2016). Evacuation of civilians from the rebel-held parts of Aleppo was suspended according to news reports on 16 December 2016. Aleppo's residents have been under siege for weeks and have suffered bombardment, together with chronic food and fuel shortages. EPA/GHITH SY Foto: Ghith Sy/EPA/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++ © dpa | Ghith Sy
    Die Rettungskräfte hatten alle Hände voll zu tun, Kranke und Verletzte aus der Stadt zu transportieren.
    Die Rettungskräfte hatten alle Hände voll zu tun, Kranke und Verletzte aus der Stadt zu transportieren. © REUTERS | ABDALRHMAN ISMAIL
    Soldaten der Regierungstruppen ziehen inzwischen mit der syrischen Flagge durch die Straßen von Ost-Aleppo.
    Soldaten der Regierungstruppen ziehen inzwischen mit der syrischen Flagge durch die Straßen von Ost-Aleppo. © dpa | Str
    Soldaten der Assad-Truppen hissten die syrische Fahne als Zeichen des Sieges auf einem Hügel über den Trümmern von Ost-Aleppo.
    Soldaten der Assad-Truppen hissten die syrische Fahne als Zeichen des Sieges auf einem Hügel über den Trümmern von Ost-Aleppo. © REUTERS | SANA
    Das Handy-Video darf auch hier nicht fehlen: Helfer filmten den ersten Konvoi, der Ost-Aleppo verließ.
    Das Handy-Video darf auch hier nicht fehlen: Helfer filmten den ersten Konvoi, der Ost-Aleppo verließ. © REUTERS | AMMAR ABDULLAH
    Brita Hagi Hasan, der Bürgermeister von Ost-Aleppo, reiste während der Evakuierung nach Brüssel zum Gipfel der EU-Staats- und Regierungschefs nach Brüssel. Dort warb er um Unterstützung für seine Stadt.
    Brita Hagi Hasan, der Bürgermeister von Ost-Aleppo, reiste während der Evakuierung nach Brüssel zum Gipfel der EU-Staats- und Regierungschefs nach Brüssel. Dort warb er um Unterstützung für seine Stadt. © dpa | Alvise Armellini
    In vielen Städten der Welt zeigten Menschen ihre Solidarität mit den Kriegsopfern von Aleppo. Hier ein Bild aus Amsterdam.
    In vielen Städten der Welt zeigten Menschen ihre Solidarität mit den Kriegsopfern von Aleppo. Hier ein Bild aus Amsterdam. © dpa | Evert Elzinga
    In London entzündeten Menschen Kerzen zum Gedenken an jene in Aleppo, die bei den Kämpfen bis zum Fall des Ostteils der Stadt ums Leben kamen.
    In London entzündeten Menschen Kerzen zum Gedenken an jene in Aleppo, die bei den Kämpfen bis zum Fall des Ostteils der Stadt ums Leben kamen. © dpa | Facundo Arrizabalaga
    Und was machte der syrische Machthaber Bashar al-Assad? Er gab in aller Ruhe dem russischen Fernsehsender Russia Today ein Interview – und feierte den Fall Aleppos.
    Und was machte der syrische Machthaber Bashar al-Assad? Er gab in aller Ruhe dem russischen Fernsehsender Russia Today ein Interview – und feierte den Fall Aleppos. © dpa | Sana / Handout
    1/21