Berlin.

Das Kabinett verabschiedet am heutigen Mittwoch das Gesetz zur Rehabilitierung und Entschädigung von Opfern des „Schwulenparagrafen“. Aus dem 27-seitigen Gesetzentwurf des Bundesjustizministeriums, der dieser Zeitung vorliegt, geht hervor, dass die Urteile pauschal durch Gesetz aufgehoben werden. Zuvor hatte es zwischen Union und SPD Unstimmigkeiten über das Gesetz gegeben. Jetzt hat das Bundesinnenministerium zugestimmt.

Laut Gesetzentwurf beträgt die Entschädigung 3000 Euro für jede aufgehobene Verurteilung. Je „angefangenes Jahr erlittener Freiheitsentziehung“ werden 1500 Euro an die Opfer gezahlt. Sie können sich, wenn das Gesetz in Kraft ist, die Aufhebung ihrer Verurteilung durch eine Rehabilitierungsbescheinigung der Staatsanwaltschaft bestätigen lassen. Den Opfern solle „der Strafmakel genommen werden, mit dem sie bisher wegen einer Verurteilung allein aufgrund ihrer sexuellen Orientierung leben mussten“, heißt es.

In der Bundesrepublik wurde der Paragraf 175 im Jahr 1969 entschärft – und erst 1994 abgeschafft. Bis 1969 wurden nach Schätzungen rund 50.000 Männer zu Haftstrafen verurteilt. Danach wurden 3500 Männer eingesperrt. In der DDR galt der „Schwulenparagraf“ bis 1968. Wie viele Männer im Gefängnis saßen, ist unklar. Urteile aus der Zeit des Nationalsozialismus wurden 2002 aufgehoben, Urteile aus der Zeit nach dem 8. Mai 1945 bisher nicht.

Laut einer Umfrage der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, die dieser Zeitung vorliegt, befürworten 86,1 Prozent der Deutschen die Rehabilitierung der Opfer des Paragrafen 175. Einer Entschädigung stimmen 69,6 Prozent zu, wie aus der Studie des Sozialwissenschaftlichen Umfragezentrums in Duisburg hervorgeht.

Christine Lüders, Leiterin der Antidiskriminierungsstelle, hofft, dass der Bundestag das Gesetz rasch auf den Weg bringt. „Die Opfer dieses Unrechtsparagrafen haben lange darauf warten müssen“, sagte Lüders dieser Zeitung. „Damit erfährt den Betroffenen endlich Gerechtigkeit“. Sie hätten „zeitlebens unter der Verurteilung und ihren Folgen gelitten und wollen von diesem Strafmakel endlich befreit werden“.