Wien. Jubel im Lager der Grünen. In Österreich gewinnt Alexander Van der Bellen überraschend klar gegen den FPÖ-Politiker Norbert Hofer.

Vielleicht gibt es keinen besseren Ort für einen solchen Moment als die Sofiensäle, einen prunkvollen Bau mit einem großen Ballsaal mitten in Wien. Um Punkt 17:10 Uhr, zehn Minuten nach Schließung der Wahllokale, beginnen die Menschen hier zu schreien und zu lachen. Sie liegen sich in den Armen. Rund fünf Minuten lassen sich die Besucher der Wahlparty kaum beruhigen, weil die erste Zahl auf dem Monitor ständig wiederholt werden: 53,3 Prozent für Alexander van der Bellen.

Damit ist der 72-Jährige ehemalige Chef der Grünen neuer Bundespräsident von Österreich. Es dauert dann nur rund eine halbe Stunde, bis Konkurrent Norbert Hofer von der FPÖ seine Niederlage eingesteht.

Dritter Anlauf für die Präsidentenwahl

Die Gäste der Wahlparty rufen sich ständig nur ein einziges Wort zu: „leiwand“, das ist Österreichisch für „super“. Mitten im Saal steht Georg Koenne. Er hat für Van der Bellen Wahlkampf gemacht und schon deshalb immer mit dem Sieg gerechnet. „Ich hab nie daran gezweifelt“, sagt der 40-Jährige, „aber es ist für uns auch der Lohn für einen sehr langen und harten Wahlkampf.“ Wochenlang sei er mit seinen Kollegen auf die Straße gegangen und habe mit den Menschen diskutiert. „Aber dafür hat es sich gelohnt.“

Es war der dritte Anlauf für die Präsidentenwahl in Österreich. Die Stichwahl am 22. Mai war annulliert worden. Damals hatte Van der Bellen nur knapp vor seinem Konkurrenten Hofer gelegen. Der zweite Termin am 2. Oktober wurde verschoben, weil eine erneute Anfechtung drohte.

Ergebnis von mehr als 53 Prozent

Auch dieses Mal war ein knapper Ausgang erwartet worden, oder „arschknapp“, wie es Van der Bellen im Mai sagte. Der Wirtschaftsprofessor, inzwischen parteilos, war zuletzt von allen anderen Parteien außer der FPÖ unterstützt worden. Ein Ergebnis von mehr als 53 Prozent, das ist jetzt nicht nur ein deutlicherer Ausgang als im Mai. Es ist so deutlich, dass die 700.000 Briefwahlstimmen, die erst an diesem Montag ausgezählt werden, daran nichts mehr ändern können.

„Ich habe schon gehofft, dass es gut geht“, sagt Van der Bellen, als er um kurz nach 18.00 Uhr im Fernsehstudio in der Wiener Hofburg eintrifft. Allerdings habe er nicht mit diesem Vorsprung gerechnet. „Ich bin dankbar“, sagt er und versichert, er wolle die Spaltung im Land überwinden. Sein Gegner Hofer gratuliert ihm vor der Kamera und sagt, Van der Bellen solle „gut auf Österreich aufpassen“. Er selbst wolle jetzt für das österreichische Parlament, den Nationalrat, kandidieren. Und bei der nächsten Präsidentenwahl im Jahr 2022 wolle er erneut antreten.

Im Norden Österreichs aufgeholt

Gegenüber der Stichwahl im Mai holt Van der Bellen vor allem im Norden Österreichs auf und nimmt Hofer dort Stimmen ab. In Wien erreicht er sogar 65 Prozent. Auch in Salzburg und in anderen Städten kann Van der Bellen hinzugewinnen. In den urbanen Milieus und unter Gebildeten gilt er als jemand, der Österreich im Ausland vertreten kann, ohne dass man sich genieren muss. Eines der Hauptmotive seiner Wähler allerdings war nicht Van der Bellens Persönlichkeit, sondern dass sie Hofer verhindern wollten. Fragt man Österreicher, wen sie gewählt haben, antworten viele: „Das geringere Übel.“

Van der Bellen kommt aus einer Migrantenfamilie mit russischen und estnischen Wurzeln, seine Freunde nennen ihn deshalb auch „Sascha“, das ist die Koseform von Alexander. Er wuchs im Tiroler Kaunertal auf und ist in zweiter Ehe verheiratet. Die Grünen hat er als Vorsitzender an ein bürgerliches Publikum herangeführt.

Die Partei rückte in die Mitte

Die Partei rückte unter ihm deutlich in die Mitte und schaffte es, mehr und mehr Innenstadtbezirke von Wien zu erobern. In den Arbeiterbezirken dagegen haben die Grünen und Van der Bellen einen schweren Stand. Sie sind schon lange in „blauer“ Hand, hier wird mehrheitlich FPÖ gewählt. Auch auf dem Land und bei den weniger Gebildeten schlug Van der Bellen viel Skepsis entgegen. Van der Bellen spricht langsam und wirkt immer unsicher. Vielen gilt der Mann mit dem kritischen Blick als zu „schwach“.

Mit seiner „Heimat“-Kampagne und einem neu gekauftem Trachten-Sakko konnte Van der Bellen nun auch auf dem Land neue Stimmen gewinnen. In fast allen Gemeinden konnte er im Vergleich zum Mai zulegen. Bei seinen Anhängern büßte er Sympathien ein, weil er auf die Provokationen von Kontrahent Hofer einging und sich mit ihm in aggressiven Streitereien erging.

Rauer Ton in Österreich

Der Ton ist rau geworden in Österreich: Eine alte Dame, Tochter zweier Holocaust-Überlebenden, die am Sonntag in der Nationalbibliothek in Wien ihre Melange trinkt, erzählt, wie groß ihre Angst vor einem Rechtsruck gewesen sei: „Ich hatte das erste Mal Furcht - und das in unserem schönen Österreich“, meint sie. Angst gemacht habe ihr die Härte und Respektlosigkeit, die FPÖ-Mann Hofer gezeigt habe. Offenbar hat das dem 45-Jährigen geschadet.