Angela Merkel lässt Kanzlerkandidatur weiter offen
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Von Walter Bau
Berlin. Angela Merkel hat sich in der ARD nicht genauer zu einer möglichen Kanzlerkandidatur geäußert. Dafür ging sie auf Deutsch-Türken zu.
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat eine positive Bilanz nach einem Jahr Flüchtlingskrise gezogen. Es sei vieles erreicht worden. „Wir haben unablässig gearbeitet“, sagte Merkel am Sonntagabend im ARD-„Sommerinterview“. „Wir stehen heute ganz anders da als noch vor einem Jahr.“ Als Beispiel nannte sie zusätzliches Personal beim Bundesamt für Migration, mehr Geld für die Kommunen und das neue Integrationsgesetz. „Wo uns etwas im Wege steht, da müssen wir das überwinden“, so Merkel. Es bleibe „noch viel zu tun“.
Merkel mahnte europäische Lösungen in der Flüchtlingsfrage an. Die Flüchtlinge müssten „besser und fairer verteilt“ werden auf die einzelnen Staaten. Scharf kritisierte Merkel die Haltung einzelner EU-Länder, „die sagen, Muslime wollen wir generell nicht in unserem Land haben. Das geht nicht“.
„Das Gespräch ist wichtig“
Merkel warb um die türkischstämmigen Bürger in Deutschland, von denen sie erst vor kurzem eine klare Loyalität zu unserem Staat gefordert hatte. „Ich bin auch deren Bundeskanzlerin“, so Merkel. Sie sollten sich „in die Entwicklung unseres Landes einbringen“. Aber sie könne keinen dazu verpflichten, sich einzubringen. Gegenüber der Türkei werde sie den Dialog fortsetzen. „das Gespräch ist wichtig.“ Dabei werde sie auch ansprechen, was es an Demokratiedefiziten in der Türkei gebe.
Das ist Bundeskanzlerin Angela Merkel
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Der Sonntag hat keine guten Nachrichten für die Kanzlerin gebracht. Etwa eine Umfrage von Emnid, der zufolge jeder zweite Bürger eine vierte Amtszeit der CDU-Chefin ablehnt. Die Zahl der Befürworter ist mit 42 Prozent nur unwesentlich kleiner. Unter den Unions-Anhängern sprachen sich 70 Prozent für eine weitere Amtszeit Merkels aus; 22 Prozent sind dagegen. Damit haben sich Merkels Sympathiewerte dem Bericht zufolge leicht verschlechtert. Im vergangenen November hätten noch 45 Prozent der Befragten eine weitere Amtszeit befürwortet, 48 Prozent lehnten sie ab.
Wie steht es also mit ihrer Kanzlerkandidatur? Im Interview der ARD tat Merkel genau das, was sie in den letzten Wochen zu diesem Thema immer mit freundlicher Miene gesagt hat: „Zu gegebenem Zeitpunkt werde ich dazu Bericht erstatten.“ Dies betreffe auch ihre erneute Kandidatur als CDU-Vorsitzende. Ob sie es auf dem CDU-Parteitag im Dezember ihre Entscheidung verkünden werde? Kein Kommentar. Nur ein Lächeln.
Entscheidung laut „Spiegel“ erst 2017
„Der Spiegel“ hatte zuvor berichtet, Merkel wolle ihre Entscheidung für eine erneute Kanzlerkandidatur wohl erst im Frühjahr 2017 bekannt geben. Grund dafür sei, dass der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer – Merkels unionsinterner Widersacher in der Flüchtlingspolitik - erst dann entscheiden wolle, ob seine Partei Merkel wieder unterstütze, berichtete das Magazin unter Berufung auf CDU-Kreise.
Die Kanzlerin werde ihren Entschluss voraussichtlich frühestens auf dem CDU-Parteitag Anfang Dezember in Essen öffentlich verkünden, hatte es daraufhin in Berliner Regierungs- und Parteikreisen am Wochenende geheißen. Aus der SPD gab es spöttische Reaktionen über eine angebliche Abhängigkeit Merkels von Seehofer
Merkel legt sich nicht auf Steuerentlastungen fest
Auf Steuerentlastungen in der kommenden Legislaturperiode wollte sich Merkel im ARD-Interview nicht festlegen. „Ich weiß nicht, woher Sie das Gefühl des satten Polsters nehmen“, sagte die Kanzlerin am Sonntag auf eine entsprechende Frage. Nun stünden zunächst schwierige Haushaltsberatungen im Bundestag bevor – „mit einer Menge von Erwartungen noch, was alles gemacht werden könnte. Und wenn wir dann nächstes Jahr im Frühjahr ein sattes Polster haben, soll mich das sehr ermutigen.“
In Bundesländern und Kommunen habe sie „noch nie einen getroffen, der der Meinung war, dass man jetzt einfach ganz locker über Steuersenkungen sprechen kann“, sagte Merkel. Sie würde sich freuen, wenn es in der nächsten Legislaturperiode Raum für Steuerentlastungen gebe. Aber jetzt gehe es zunächst darum, einen ausgeglichenen Haushalt zu schaffen und keine neuen Schulden auf Kosten der zukünftigen Generation aufzunehmen.
„Abgerechnet wird am Jahresende“
Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) habe darauf hingewiesen, dass es keine Garantie gebe, dass die Steuereinnahmen in der zweiten Jahreshälfte genauso seien wie in der ersten. „Abgerechnet wird am Jahresende“, sagte Merkel. Zugleich betonte sie: „Ich bin sehr froh, dass nahezu alle Parteien sich damit beschäftigen, wie man in der nächsten Legislaturperiode gegebenenfalls auch Steuerentlastungen ins Auge fassen kann. Und zwar gerade für die Mitte der Gesellschaft.“
Das Statistische Bundesamt hatte am Mittwoch mitgeteilt, dass Bund, Länder, Gemeinden und Sozialkassen nach vorläufigen Berechnungen 18,5 Milliarden Euro mehr eingenommen als ausgegeben hätten. Daraufhin wurden einmal mehr Rufe nach Steuerentlastungen laut. (mit dpa)
Hauptstadt Inside von Jörg Quoos, Chefredakteur der FUNKE Zentralredaktion
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