Brüssel. Bei einem Sondergipfel haben sich die Türkei und die EU auf einen Aktionsplan einigen können. Dieser beinhaltet auch Milliardenhilfen.

Die EU und die Türkei haben einen Aktionsplan beschlossen, um den Zustrom von Flüchtlingen nach Europa einzudämmen. Das berichtete Bundeskanzlerin Angela Merkel am Sonntag nach Abschluss des EU-Türkei-Sondergipfels in Brüssel.

EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker sagte, es werde keine Lösung der Flüchtlingskrise geben ohne eine Zusammenarbeit zwischen der EU und der Türkei. Gegen Milliardenhilfen der Europäischen Union will das Land den Zustrom syrischer Flüchtlinge nach Europa eindämmen. Die Türkei sicherte zu, ihre Küsten besser zu schützen und effektiver gegen Schlepper vorzugehen. Im Gegenzug beschleunigt die EU die Gespräche zum visafreien Reisen und die Beitrittsverhandlungen.

„Das ist ein historischer Tag und ein historisches Treffen“, sagte der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoglu nach dem Sondergipfel. „Ich danke allen europäischen Führungskräften für diesen Neuanfang“, sagte er weiter. Die Türkei sei „eine europäische Nation“ und wolle Mitglied der europäischen Familie sein.

EU stellt der Türkei drei Milliarden Euro

Die EU stellt dem Partnerland drei Milliarden Euro zu Verfügung, um syrische Flüchtlinge zu unterstützen. „Es ist legitim, dass der Türkei von Europa geholfen wird, Flüchtlinge aufzunehmen“, sagte der französische Staatspräsident François Hollande. Die Türkei müsse aber noch Bedingungen erfüllen, um das Geld in mehreren Etappen zu erhalten.

Wie die Lastenteilung unter den 28 EU-Staaten geregelt wird, ist laut Diplomaten noch offen. Wenn nach dem üblichen EU-Schlüssel verfahren wird, kommen auf Berlin etwa 500 Millionen Euro zu. Die Türkei tritt dem Vernehmen nach dafür ein, dass die drei Milliarden Euro jährlich gezahlt werden.

EU-Gipfelchef Donald Tusk machte deutlich, dass die Türkei eine Schlüsselrolle in der Flüchtlingskrise spielt. „Etwa 1,5 Millionen Menschen sind 2015 illegal in die EU gekommen“, sagte der Pole. „Die meisten von ihnen sind durch die Türkei gekommen.“ Das Land beherbergt nach Angaben aus Ankara allein rund 2,2 Millionen syrische Flüchtlinge.

Die EU überwindet mit den neuen Pakt eigene Vorbehalte. Denn die Union bemängelt seit Jahren Defizite bei der Rechtsstaatlichkeit und bei der Pressefreiheit in der Türkei, die seit 1999 EU-Kandidatenland ist. Anstoß erregte auch der zunehmend autoritäre Führungsstil von Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan.

Hoffnung auf Reisen ohne Visum

Türkische Staatsbürger können darauf hoffen, ab Oktober 2016 ohne Visum nach Europa reisen zu dürfen. Auch die lange Zeit quasi eingefrorenen EU-Beitrittsverhandlungen mit dem Kandidatenland werden vorangetrieben. Noch im Dezember soll das Verhandlungskapitel 17 über Wirtschaft und Finanzen geöffnet werden. Die EU-Kommission bereitet für das kommende Frühjahr die Öffnung weiterer Verhandlungsbereiche vor.

Bundeskanzlerin Angela Merkel betonte, dies sei ein „offen angelegter Beitrittsprozess“. Die CDU-Chefin tritt dafür ein, dass die Türkei nur eine „privilegierte Partnerschaft“ bekommt. Die Gespräche laufen bereits seit mehr als zehn Jahren, ohne dass es bislang entscheidende Fortschritte gibt.

„Die Türkei erwartet mit Recht, dass die EU sie entlastet“, sagte Merkel. Die Türkei habe bislang wenig internationale Unterstützung bekommen.

Gipfeltreffen mit Türkei soll zweimal im Jahr stattfinden

Eine kleine Runde von acht EU-Ländern traf sich unmittelbar vor Gipfelbeginn, um über legale Einreisemöglichkeiten für dort befindliche Flüchtlinge zu beraten. „Das ist ein Treffen derjenigen Staaten, die bereit sind, Flüchtlinge in großer Zahl aus der Türkei auf legalem Wege nach Europa zu bringen“, erklärte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. An der Runde nahm auch Merkel teil. Beteiligt waren zudem die Staats- und Regierungschefs aus Österreich, Schweden, Finnland, Griechenland sowie den Benelux-Ländern.

Künftig soll es dem Vernehmen nach zweimal im Jahr Gipfeltreffen mit der Türkei geben – es ist aber noch offen, in welchem Format.

EU-Ratspräsident Tusk wollte sich am späten Sonntagabend noch mit dem britischem Premierminister David Cameron treffen. Bei dem Gespräch sollte es um das von Cameron geplante Referendum über den Verbleib seines Landes in der EU gehen. (dpa)