Alles vernetzt und dadurch mehr Wohnkomfort: Das Eigenheim wird teilweise sogar zum Mini-Kraftwerk

Die Energiewende betrifft nicht nur die großen Energieerzeuger, sondern hat längst die privaten Hausbesitzer und Wohnungsunternehmen erreicht – und sie bewirkt auch hier regelmäßig enorme technologische Sprünge bei der Haustechnik. War vor wenigen Jahren noch das Hauptziel, möglichst viel Energie zu sparen, so entwickeln sich die Lösungen immer stärker hin zu intelligenten Häusern, auch Smart Homes genannt. Diese mitdenkenden Gebäude steuern den Energieverbrauch nicht nur genauer und erhöhen zudem den Wohnkomfort, sondern erzeugen teilweise sogar mehr Energie, als sie selbst verbrauchen: Das Eigenheim wird zum Mini-Kraftwerk.

„Eine wesentliche Herausforderung für Smart Home ist, dass verschiedene Branchen zusammenarbeiten und technologisch zusammengeführt werden müssen“, sagt Sahin Albayrak, Vorstandsvorsitzender des Innovationszentrums Connected Living e.V., in dem sich mehr als fünfzig Unternehmen und Organisationen mit dem Entwickeln übergreifender Modelle für das Vernetzte Leben zusammengeschlossen haben. „Vom Kühlschrank über die Waschmaschine bis zu Heizungen, Hifi-Anlagen, Computern oder Jalousien bis zu Sicherheitstechnologie sollten alle Geräte über eine zentrale Plattform steuerbar, beziehungsweise der Energieverbrauch einzeln mess- und regelbar sein“, sagt der Professor.

Welchen Wandel die Technologien dabei erfahren, untersucht Severin Beucker, Mitgründer und Geschäftsführer des Borderstep Instituts, das sich schwerpunktmäßig mit dem Erforschen komplexer Innovationsnetzwerke befasst. „Früher orientierten sich intelligente Systeme in Häusern sehr stark am technisch Machbaren“, sagt er. „Das erwies sich jedoch als teuer, aufwendig und wenig nutzerfreundlich. Heute ist dagegen eine günstige und drahtlose Vernetzungstechnik verfügbar, über die sich die notwendigen Sensoren recht einfach verbinden lassen.“ Auch bei der Bedienbarkeit habe sich sehr viel getan. „Hier unterscheiden wir zwischen dem, was das Gebäude automatisch von sich aus regeln und was sich über Endgeräte wie Displays, Smartphones oder Tablets individuell einstellen lassen soll“, sagt Beucker, „denn heute stehen neben dem Aspekt des Energiesparens der Komfort für die Nutzer und das Thema Haussicherheit im Vordergrund.“

Dabei spielt moderne Regelungstechnik eine ganz zentrale Rolle. „Brennwertkessel oder Erdgasheizungen haben bereits heute einen sehr hohen Wirkungsgrad. Aber selbst die effizientesten Kessel verfügen oft nur über eine verhältnismäßig einfache Steuerungstechnik.“ Diese lassen sich für vergleichsweise niedrige Investitionskosten um Systeme ergänzen, die über den Tag hinweg die Heizkurven für die einzelnen Räume anpassen, statt zum Beispiel im ganzen Gebäude eine einheitliche Temperatur zu erzeugen – obwohl nur bestimmte Räume genutzt werden. Rund dreißig Prozent Energie lassen sich allein dadurch pro Jahr einsparen.

„Diese Technik soll den Nutzern Aufgaben abnehmen, mit denen sie sich nicht selbst befassen wollen und soll diese positiv im Hintergrund beim Energiesparen unterstützen.“ So hat Beuckers Institut hochgerechnet, dass nur ein Drittel der Investitionskosten im Vergleich zu Dämm-Maßnahmen nötig sind, um die gleiche Energie einzusparen. Das macht das Modell so attraktiv für Hausbesitzer. Denn die Heizungsanlagen an sich bleiben die gleichen – nur die Regelungstechnik wird ersetzt. Ein weiterer Punkt ist das Kommunizieren der einzelnen Haushaltsgeräte. „Damit alle Hausgeräte über eine Plattform steuerbar sind, müssen sie über offene Schnittstellen verfügen“, sagt Beucker. „Die Geräte müssen miteinander kommunizieren können.“ Das ermöglicht dann ein effizientes Stromverbrauchsmanagement für Kühlschränke, Tiefkühler, Spül- oder Waschmaschinen, die sich in einem zunehmend flexibleren Strommarkt dann in Betrieb setzen, wenn der Strom gerade besonders günstig ist oder ein Überangebot an Wind- oder Sonnenenergie die Preise drückt.

„Bis zum Jahr 2050 sollen in Deutschland etwa achtzig Prozent der Energie aus erneuerbaren Quellen stammen“, sagt Beucker. „Hier spielen flexible Technologien eine entscheidende Rolle, um Angebot und Nachfrage aufeinander abzustimmen.“ Verfügt beispielsweise ein Gebäude über Solarzellen auf dem Dach, kann bei starkem Sonnenschein der dabei erzeugte überflüssige Strom ins Netz eingespeist und verrechnet werden. Denn die Smart Homes stehen nicht für sich alleine, sondern sind dann ihrerseits Teil intelligent gesteuerter Quartiere oder Städte. „Auch vernetzte und aufeinander abgestimmte Blockheizkraftwerke werden hier eine wichtige Rolle spielen.“

Genau dieses Konzept wird aktuell in Prenzlauer Berg mit dem Projekt ProSHAPE umgesetzt: Intelligent gesteuerte Messtechnik in Einzelräumen sowie der gesamten Wohnanlage wird mit einem dezentralen Blockheizkraftwerk und Energiespeichern gekoppelt. „Vergleichsweise niedrige Investitionen stehen hier einem Einsparpotenzial gegenüber, so dass sich dieses Umrüsten in wenigen Jahren wirtschaftlich amortisiert hat und gleichzeitig den CO2-Ausstoß spürbar verringert“, sagt Beucker. Wenn im nächsten Jahr eine erste Bilanz gezogen werden kann, dürfte dieses Modell Schule machen.