Das Kirchenoberhaupt kritisiert „Zeitmangel für Gott in schnelllebiger Zeit“. - Abendblatt.de wünscht frohe Weihnachten!

Vatikan-Stadt/Bethlehem/Hamburg. Papst Benedikt XVI. hat mit Tausenden Gläubigen die Christmette im Petersdom zelebriert. Der 85-Jährige fuhr bequem auf einer rollenden Plattform mit Haltestange im Mittelgang zum Altar. Dort zelebrierten mit ihm rund 30 Kardinäle die Messe, die in etwa 60 Länder der Welt und live im Internet übertragen wurde.

Er forderte, auch in einer schnelllebigen Welt einen Platz für Gott zu schaffen. „Je schneller wir uns bewegen können, je zeitsparender unsere Geräte werden, desto weniger Zeit haben wir“, kritisierte der Papst. Die Frage nach Gott erscheine nie dringend, weil die Zeit schon ausgefüllt sei. „Es gibt keinen Platz für ihn. Auch in unserem Fühlen und Wollen ist kein Raum für ihn da. Wir wollen uns selbst“, sagte der 85-jährige Papst bei der Christmette.

Zudem forderte er Frieden zwischen Israelis und Palästinensern sowie in Ländern wie dem Libanon, Syrien oder dem Irak. Am Dienstagmittag wird Benedikt auf dem Petersplatz den traditionellen Segen „Urbi et Orbi“ erteilen.

Am frühen Abend hatte der Papst ein Friedenslicht angezündet und vom Fenster des Apostolischen Palastes aus die Menschen auf dem Petersplatz gegrüßt. Auf dem Petersplatz erstrahlt der prunkvoll geschmückte Weihnachtsbaum, die monumentale Krippenlandschaft ist enthüllt. Beide stammen in diesem Jahr aus Süditalien.

In Deutschland haben die katholische und die evangelische Kirche zum Weihnachtsfest mehr soziale Gerechtigkeit angemahnt und vor einer Spaltung der Gesellschaft gewarnt. „Die Armen bleiben zurück, und der Reichtum in der Hand einiger weniger nimmt weiter zu. Das ist eine gefährliche Entwicklung“, sagte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch. Wenn die soziale Schere so auseinandergehe, führe das zu Unruhe. „Wir sind der sozialen Gerechtigkeit verpflichtet. Jeder Mensch braucht die Chance zu einem menschenwürdigen Einkommen“, so der Freiburger Erzbischof, der seine offizielle Weihnachtspredigt am Dienstag halten wird.

Zollitsch mahnte vor allem mit Blick auf das Problem der Altersarmut mehr Solidarität zwischen den Einkommensgruppen an. „Es erscheint mir angebracht, diejenigen stärker in die Pflicht zu nehmen, die über hohe Einkommen verfügen. Steuererhöhungen und Abgaben für Vermögende dürfen kein Tabu sein, wenn es gilt, gesellschaftlich wichtige Aufgaben zu finanzieren“, sagte er. Die Lebensleistung jedes einzelnen verdiene Anerkennung und das Problem drohender Altersarmut müsse gelöst werden, forderte Zollitsch.

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, kritisierte in seiner Weihnachtsbotschaft, auch in Deutschland gerieten immer mehr Menschen ins Abseits und drohten dauerhaft abgehängt zu werden. „Die Weihnachtsbotschaft fordert uns heraus, für diese Menschen die Stimme zu erheben und nach sozialer Gerechtigkeit zu suchen“, so Schneider in Hannover. Trotz aller Dunkelheit und in alle Dunkelheit aber scheine das Licht der Weihnacht und trotze den Nächten dieser Welt.

Schneider rief außerdem zur Solidarität mit dem von der Euro-Schuldenkrise geschüttelten Griechenland und anderen europäischen Ländern auf. Europa sei „mehr als ein Wirtschaftsraum. Europa ist ein Friedensprojekt, in dem jede Nation nicht allein auf den eigenen materiellen Vorteil bedacht ist“.

Hamburger Erzbischof: Waffenexporte „organisierte Sterbehilfe“

Die Bischöfe der Kirchen im Norden prangerten zu Weihnachten die deutschen Rüstungsexporte an. Hamburgs Erzbischof Werner Thissen nannte die Rüstungsexporte „organisierte Sterbehilfe“. „Unsere Welt ist voll von Gewalt, und wir in Deutschland tragen dazu bei“, sagte der katholische Geistliche laut Pressemitteilung in seiner Weihnachtspredigt im Hamburger St.-Marien-Dom. Er fügte hinzu: „Panzer und anderes Kriegsmaterial verkaufen wir zum Fest des Friedens in den Süden.“

Bischof Gerhard Ulrich, Vorsitzender der vorläufigen Kirchenleitung der evangelisch-lutherischen Nordkirche, zeigte sich in seiner Weihnachtspredigt im Schleswiger St.-Petri-Dom alarmiert über die Zunahme der Waffenexporte. Er verwies auf eine Überschrift des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ und sagte dazu: „„Deutsche Waffen für die Welt“ - ich frage: Was wäre stattdessen mit „Deutschem Brot für die Welt„?“

Deutschland gehe ein unkalkulierbares Risiko ein. Unter Anspielung auf Lieferungen an Saudi-Arabien sagte Ulrich, vermeintlich sichere Bündnispartner könnten diese Waffen vielleicht morgen schon gegen Israel einsetzen. Indirekt kritisierte der Bischof auch die jüngste israelische Militäraktion im Gazastreifen, mit der Israel auf Raketenangriffe aus dem Palästinensergebiet reagiert hatte.

Der Bischofsbevollmächtigte im Sprengel Schleswig und Holstein, Gothart Magaard, rief zum Frieden mit der Umwelt und zur Überprüfung des gewohnten industriellen Lebensstiles auf. „Wenn wir es nicht schaffen, besser im Einklang mit der Natur zu leben, werden sich aufgrund der Auswirkungen beispielsweise der Klimaveränderung auch die Konflikte der Menschen untereinander verschärfen“, mahnte Magaard.

Die Bischöfin im Sprengel Hamburg und Lübeck, Kirsten Fehrs, beklagte in ihrer Predigt in der Hamburger St.-Michaelis-Kirche, dass es so viele hoffnungslose Menschen gebe, die es für zynisch hielten, wenn Geistliche durch ihr Handeln und ihre Bitten der globalen Maßlosigkeit und sozialen Kälte Einhalt gebieten wollten. Zuvor hatte sie in einem Beitrag für das „Hamburger Abendblatt“ Sparpolitik und Sozialabbau im Zusammenhang mit der Schuldenkrise kritisiert. „Die mit dem Ende der Ost-West-Konfrontation und ihrer Atomrüstung abgetretene Apokalypse-Drohung hat sich fast lautlos durch die Hintertür wieder auf die Bühne geschlichen“, schrieb Fehrs. Die gegenwärtige Art des Wirtschaftens sei das Problem. „Sie produziert zu viel Müll, Schulden, Ungerechtigkeit und Tod.“

Bethlehem wartet auf die Mitternachtsmesse

In Bethlehem begrüßen Hunderte Pilger und Touristen zum Auftakt der Weihnachtsfeierlichkeiten den Lateinischen Patriarchen Fuad Twal, den höchsten katholischen Würdenträger des Heiligen Landes. Die Menge wartete auf dem mit einem 25 Meter hohen Weihnachtsbaum geschmückten Krippenplatz vor der Geburtskirche auf ihn. In der Stadt herrschte eine festliche Atmosphäre, Musikkapellen spielten in den Straßen.

Höhepunkt sollte am Abend die Mitternachtsmesse in der Geburtskirche sein. Die Kirche steht an der Stelle, an der Jesus der Überlieferung zufolge vor rund 2.000 Jahren zur Welt kam. Im vergangenen Jahr strömten 100.000 Besucher nach Bethlehem, darunter Ausländer und arabische Christen aus Israel. Nach dem gewaltsamen Konflikt zwischen palästinensischen Extremisten im Gazastreifen und den israelischen Streitkräften im November rechnet das israelische Tourismusministerium in diesem Jahr mit einem 25-prozentigen Rückgang der Besucherzahl.

Twal begab sich am Mittag in einer traditionellen Prozession von Jerusalem nach Bethlehem. In Jerusalem hatte er zuvor in einer Predigt die jüngste Aufwertung des Status’ der Palästinenser durch die Vereinten Nationen gewürdigt. Zwar sei der Weg aus israelischer Besatzung noch weit, dennoch gebe dieses Weihnachtsfest doppelten Anlass zur Freude, denn es könne die Geburt Christi „und die Geburt des Staats Palästina“ gefeiert werden. Nötig seien nun gemeinsame Anstrengungen auf dem Weg zu einem palästinensischen Staat, sagte Twal, ein palästinensischer Bürger Jordaniens.

Nordkorea sieht XXL-Weihnachtsbaum als Provokation“

Nordkorea fühlt sich erneut durch eine riesige Lichtinstallation in Form eines Weihnachtsbaums auf der südkoreanischen Seite der innerkoreanischen Grenze provoziert. Das kommunistische Land warf dem Süden am Montag „psychologische Kriegsführung gegen die Volksrepublik“ vor. Die Aktion sei eine inakzeptable Provokation, die einen Krieg auf der koreanischen Halbinsel auslösen könnte, hieß in den staatlichen Medien.

Vertreter einer presbyterianischen Kirche in Seoul hatten die Lichter an dem Stahlturm am Samstag auf einem Hügel nahe der stark gesicherten Grenze installiert. Südkoreas Verteidigungsministerium hatte es der Kirche erlaubt, den Weihnachtsbaum zwölf Tage lang erstrahlen zu lassen.

Im vergangenen Jahr hatte Nordkorea Pläne für ähnliche Installationen ebenfalls als Provokation kritisiert. Die Pläne waren nach dem Tod des langjährigen nordkoreanischen Machthabers Kim Jong Il am 17. Dezember 2011 wieder gestrichen worden.