Jessica Wrang, Auszubildende bei der Johanniter-Unfall-Hilfe in Winsen, schnupperte als Praktikantin ins finnische Gesundheitssystem hinein

Winsen. Noch ganz frisch ist ihr Blick über den Tellerrand: Bis Mitte März hat Jessica Wrang im Rahmen eines vierwöchigen Praktikums erleben können, wie Pflege außerhalb Deutschlands funktioniert. Dafür hat es die 35-Jährige, die seit August 2013 bei der Johanniter-Unfall-Hilfe in Winsen eine dreijährige Ausbildung zur examinierten Pflegefachkraft macht, in das südfinnische Hämeenlinna verschlagen.

Vor Ort konnte sie durch ihre Arbeit in einem Altenpflegeheim in das finnische Gesundheitssystem hineinschnuppern, das sich „meilenweit“ vom deutschen unterscheidet, wie sie sagt. „Das fängt schon mit der Grundpflege an“, berichtet die gebürtige Winsenerin und ergänzt: „Die Senioren werden prinzipiell nur einmal in der Woche geduscht, angeblich damit die Haut nicht austrocknet.“

Vor dem Duschen werde in der Regel der Sauna ein Besuch abgestattet. „Jeder Haushalt, jedes Wohn- und Pflegeheim hat eine Sauna“, weiß die junge Frau. Doch das ist nicht der einzige Unterschied, auf den die angehende Pflegefachkraft während ihres Praktikums, das vom EU-Programm „Erasmus+“ gefördert wurde, gestoßen ist: „In Finnland ist es Standard, dass Seniorenbetten mit Gleit- oder Rutschlaken ausgestattet sind, was die Rücken der Pflegekräfte schont“, erzählt die Ausbildende. „Grundsätzlich wird dort mehr Wert auf Kinästhetik gelegt, also Hebe- und Tragetechniken, die weniger Kraft erfordern.“

Ein weiterer großer Unterschied zwischen dem finnischen und dem deutschen Gesundheitssystem sei, dass es in Finnland keine Pflegekassen gibt. „Alles wird von den Kommunen finanziert, sogar die Pflegehilfsmittel“, erklärt Jessica Wrang. „Nicht der Arzt, sondern die Pflegekraft entscheidet, ob der Patient einen Rollator finanziert bekommt.“

Wie in Deutschland mache auch in Finnland der Fachkräftemangel dem Gesundheitssystem zu schaffen. „Der Unterschied ist nur, dass Pflegepersonal nicht wie in Deutschland vor allem aus osteuropäischen Ländern angeworben wird, sondern aus Südostasien, also zum Beispiel Thailand“, so Wrang.

Besonders überrascht habe sie, dass die Verständigung mit den Patienten sich nicht als Problem herausstellte. „Ich habe überwiegend auf Englisch gesprochen, viele haben auch Deutsch verstanden, aber auch mit nonverbaler Kommunikation war eine Verständigung möglich.“ Vor allem diese Erfahrung werde Jessica Wrang für ihre Arbeit in Deutschland helfen. „Mir ist klar geworden, dass Sprache in der Pflege kein Hindernis ist.“

Für längere Zeit im Ausland zu arbeiten, sei für die junge Mutter jedoch keine Option, zumal Pflegekräfte im Verhältnis zu den Lebenshaltungskosten in Finnland schlechter bezahlt würden als in Deutschland. „Wenn ich auswandern würde, würde ich nach Norwegen gehen. Dort verdienen Pflegekräfte dreimal so viel wie hier.“