Am 12. Februar eröffnet die Ausstellung „Utvalt – schwedisches Kunsthandwerk der Gegenwart“ im Völkerkundemuseum.

Aus diesem Anlass sprechen wir mit Mari-Louise Franzén, Geschäftsführerin des Stockholm Konsthantverkscentrum (KHVC), über die Bedeutung schwedischen Designs und die enge Partnerschaft Ihres Landes mit der Hansestadt Hamburg

Mari-Louise Franzén, Geschäftsführerin KHVC (Konsthantverkscentrum)
Mari-Louise Franzén, Geschäftsführerin KHVC (Konsthantverkscentrum) © Museum für Völkerkunde Hamburg

Hamburger Abendblatt: Frau Franzén, was genau verbirgt sich hinter dem Begriff „Utvalt“?

Mari-Louise Franzén: Utvalt heißt übersetzt “ausgewählt“ und ist der Name eines Kunstpreises für schwedische Designer, der im vergangenen Jahr erstmals verliehen wurde. Teilnehmen kann jeder, der im Bereich künstlerischer Gestaltung tätig ist, in der Region Skåne (Schonen) lebt oder einen Bezug dorthin hat. Von den 400 Einreichungen wurden 24 Künstler von einer dreiköpfigen Fach-Jury ausgewählt. Ihre Arbeiten werden jetzt im Rahmen einer Wanderausstellung unter dem Begriff „Utvalt“ gezeigt.

Welche Zielgruppen wollen Sie mit Ihrer Schau erreichen?

Wir sprechen im Prinzip Interessenten aller Altersgruppen an, die sich für Kunsthandwerk und handwerkliche Fertigung interessieren. Wir wollen aber auch möglichst viele Menschen ansprechen, die sich bisher weniger mit dem Thema beschäftigt haben. Neugier wecken und vielleicht Begeisterung ist ja der Sinn einer solchen Ausstellung.

Interessieren sich speziell junge Menschen heute überhaupt noch für Kunsthandwerk?

In Schweden auf jeden Fall! Das Werken und die Handarbeit spielt an unseren Schulen eine wichtige Rolle und wird stark gefördert. Kinder, die früh ihr kreatives Potenzial ausschöpfen, handwerklich etwas aus sich selbst heraus erschaffen, entwickeln Selbstvertrauen und Standvermögen. Weil bei uns viele junge Menschen gern handwerken, ist auch die Heimwerker-Bewegung sehr stark.

Hier geht es ja im Prinzip um den Trend zu mehr Individualität. Der macht sich ja auch in vielen anderen zivilisierten Kulturen derzeit stark bemerkbar, wenn man den Trendforschern glauben soll...

Ja, das können wir bestätigen, vor allem in England ist diese Bewegung hin zu mehr Selbstverwirklichung auch im häuslichen Bereich sehr stark. Handgefertigtes und lokal produziertes Kunsthandwerk in kleinen Auflagen und Serien ist für viele Menschen ein klares Statement gegen die Massenfertigung. Ebenso wie das selbstgekochte Mahl, das heute immer mehr Hobbyköche begeistert zelebrieren, statt einer Ofenpizza.

Mehr Lebensqualität also...

Ja. Dazu kann vor allem Kunsthandwerk in der eigenen Umgebung entscheidend beitragen. Ein manuell gefertigtes Produkt vermittelt einfach ein ganz anderes, sinnliches Lebensgefühl. Es schafft unmittelbare Nähe zu den Spuren menschlicher Kreativität und Gegenwart, was ein industriell gefertigtes Produkt oder ein Industriegericht aus der Kühltruhe nie leisten könnte.

Schwedisches Design ist in der Regel sehr schnörkellos. Wie weit wurde es eigentlich von der Deutschen Bauhaus-Bewegung beeinflusst?

In Schweden gab es damals zu Beginn der Bewegung Anfang des 20. Jahrhunderts ein sehr großes Interesse an der Bauhaus-Schule, was sich auch in den Arbeiten unserer Designer niedergeschlagen hat. Doch auch in Deutschland sind die Einflüsse schwedischen Designs an vielen Orten unmittelbar sichtbar. Die hellen Carl-Larsson-Interieurs beispielsweise gelten als klassisch schwedisches Design. Mit Utvalk tragen wir heute wieder ein Stück unserer Identität nach Deutschland und hoffen, dass wir hiermit nicht nur die Besucher sondern auch andere Designer inspirieren können.

Ganz andere Frage, vielleicht auch etwas provokant: Welche Bedeutung haben Ihrer Ansicht nach Museen heute überhaupt noch? Ich könnte mir die Ausstellung ja im Prinzip auch auf einem virtuellen Rundgang im Internet anschauen...

Gerade deshalb kommt Museen eine wichtigere Rolle zu denn je. Viele zeigen ihre Werke heute auch im Netz, das ist richtig. Doch das ersetzt nicht ihre Bedeutung als physischen, begehbaren Ort. Im Gegenteil. Durch die Präsentation von Ausstellungen wird auch immer die eigentliche Geschichte, die dahinter steht, erzählt – und das ist natürlich etwas ganz anderes als vor einem Computer zu sitzen und Bilder anzusehen. Für Künstler und Designer sind Museen darüber hinaus auch immer Recherche- und Inspirationsquelle.

Letzte Frage: IKEA und Visit Sweden unterstützen das Projekt. Nina Röhlcke, die Kulturrätin der Schwedischen Botschaft in Deutschland, hält die Eröffnungsrede der Ausstellung. Offenbar ist das Projekt hoch aufgehängt...

Ja, Utvalk ist ein wichtiges Anliegen, auch der schwedischen Regierung und Industrie, das Thema Design in enger Verbindung mit unserem Land zu präsentieren. Design ist ein Wirtschaftsfaktor, ganz klar. Denn dafür stehen wir weltweit. Nicht umsonst haben wir IKEA und Visit Sweden als Partner an Bord, die dieses Projekt unterstützen – finanziell und auch im Hinblick auf die Vermarktung. Vor allem aber freuen wir uns, als Schweden einige Wochen zu Gast in Hamburg sein dürfen.

Das Museum für Völkerkunde hat eine lange ”Schweden-Tradition”, unter anderem wurden in den vergangenen Jahren folgende Ausstellungen / Veranstaltungen durchgeführt:

2005 – Dag Hammarskjöld-Ausstellung

2007 – Feierlichkeiten anlässlich des 100jährigen Bestehens des

Svenska Klubben i Hamburg (in Anwesenheit von Königin Silvia)

2008 – Ausstellung Design S (Eröffnung durch Prins Carl Philip/ Frau von Welck)

2015 – Design S / Ung Svensk-Preisträger / Ausstellung (in Anwesenheit von Kronprinzessin Victoria und der schwedischen Handelsministerin Ewa Björling

2016 – Utvalt-Preisträger / Ausstellung