Kiew. Den Ukrainern geht die Munition aus. Das macht sich immer mehr bemerkbar. Präsident Selenskyj warnt nach einem Frontbesuch deutlich.

Seit Monaten stockt die Waffenhilfe für die Ukraine. Ein milliardenschweres Gesetzespaket steckt im US-Kongress fest, und die Europäer schaffen es nicht, sich an ihre Lieferzusagen zu halten. Der Munitionsmangel, vor allem bei der kriegsentscheidenden Artillerie, ist eklatant und wächst sich zu einer immer größeren Bedrohung für Kiew aus. Präsident Wolodymyr Selenskyj schlägt Alarm.

Nach einem Frontbesuch bezeichnete Selenskyj die Lage dort als „äußerst schwierig“. Probleme gebe es an Frontabschnitten, wo die Russen die größten Reserven konzentriert hätten, sagte Selenskyj am Montag in seiner täglichen Videoansprache. „Sie nutzen Verzögerungen bei der Hilfe für die Ukraine aus.“

Selenskyj beklagte den Mangel an Artilleriegeschossen, an Flugabwehrsystemen im frontnahen Bereich und an weitreichenden Raketen. Kiew arbeite mit Nachdruck an der Wiederaufnahme der Hilfen durch die westlichen Partner, versicherte der ukrainische Staatschef seinen Landsleuten. Erst am Wochenende hatten sich ukrainische Kräfte aus der Stadt Awdijiwka zurückziehen müssen.

Wolodymyr Selenskyj (Mitte) neben Soldaten während seines Besuchs in der Frontstadt Kupjansk.
Wolodymyr Selenskyj (Mitte) neben Soldaten während seines Besuchs in der Frontstadt Kupjansk. © DPA Images | Uncredited

Selenskyj hatte zuvor den Frontabschnitt Kupjansk im Gebiet Charkiw besucht. Die Russen, die im Herbst 2022 aus der Stadt vertrieben wurden, rücken seit Wochen auf die Kleinstadt mit dem als strategisch wichtig geltenden Eisenbahnknoten vor, auch weil die Ukrainer zu wenig Munition haben.

podcast-image

Ukraine: Selenskyi spricht von „Erosion der Solidarität“

In seiner Ansprache bedankte sich der Präsident bei den ukrainischen Betrieben, die die Rüstungsproduktion im eigenen Land vorantrieben. Derzeit könne sich das Land allerdings noch nicht autark mit Waffen und Munition versorgen und sei weiter auf Hilfen angewiesen, sagte er.

Selenskyj sprach in seiner Rede auch die Proteste polnischer Bauern gegen ukrainische Agrarexporte an. Die Blockade der Grenzübergänge durch die Polen sei ein verheerendes Signal der „Erosion der Solidarität“, erklärte er.

Da nur fünf Prozent der ukrainischen Landwirtschaftsexporte über die polnische Grenze gingen, liege das Problem nicht beim Getreide, sondern in der Politik. Es seien gemeinsame und auf das Gemeinwohl gerichtete Entscheidungen nötig, um die Situation zu lösen, so Selenskyj. (pcl/dpa)

Mehr Reportagen von Kriegsreporter Jan Jessen