Hamburg. Der frühere Reiter des „Wunderhengsts“ Tortilla über seine neue Aufgabe, den Ärger des Vorgängers und die Fehler, die gemacht worden sind.

Der Neue ist in aller Munde, er selbst jedoch hält sich dezent zurück. Denn noch heißt der Derbychef Volker Wulff (67). Und der genießt in Hamburg einen vorzüglichen Ruf. Dass nach dem finalen Sprung am Sonntag unfreiwillig Schluss ist, versetzt seinen Nachfolger Matthias Alexander Rath in eine pikante Situation. Einerseits will Flottbeks Pferdewelt wissen, wie das Turnier neuartig belebt werden soll, andererseits hält es der neue Derbymanager für unsportlich, seinem Vorgänger aktuell in die Parade zu fahren.

Beim Termin am Abreiteplatz spricht Matthias Rath offenherzig. Dass es hinter vornehmen Kulissen Zoff gibt, wischt er keinesfalls vom Tisch. Dass die Kommunikation des Führungswechsels durch den Reiterverein ungeschickt verlief, streitet er nicht ab. Die Stadt Hamburg, die Spring und Dressurderby mit 100.000 Euro jährlich unterstützt und mit dem Besuch von Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) und Innensenator Andy Grote (SPD) am Sonntag doppelt Zeichen setzt, war überhaupt nicht informiert.

Rath will allen Beteiligten die Hand reichen

„Wir werden zügig Kontakt aufnehmen und die Hand reichen. Wie es sich gehört“, garantiert Matthias Rath. „Das eine oder andere hätte man gewiss anders steuern können.“ Auch etablierte Sponsoren sollen rasch angesprochen werden. Dass Werbepatron Albert Darboven (88) erbost ist, hat sich im Derbypark herumgesprochen.

Für das Abendblatt-Foto sprintet Rath den Graswall backbords des Einritts hoch. Der Dressurreiter und Turnierveranstalter ist 39 Jahre alt, sportlich in Form. Die Hamburger müssen ihn noch kennenlernen. Die Autofahrt von daheim im Taunus bei Frankfurt absolvierte er in fünf Stunden. Mit Umweg über Neumünster. Die drei Kinder zwischen fünf und neun Jahren bleiben das lange Wochenende bei der Großmutter in Boostedt. Dort, im Kreis Segeberg, wuchs Rath nach der Geburt in Lübeck auf. Sein norddeutsches Idiom ist unüberhörbar. Vater Klaus-Martin Rath (65), ein bodenständiger Pferdewirtschaftsmeister, führte seine drei Söhne früh an den Reitsport heran. Als Matthias Alexander fünf Jahre alt war, stand Weihnachten ein Schimmelpony namens Susi neben dem Tannenbaum. Tatsächlich.

Rath saß auf dem dem teuersten Dressurpferd der Welt

Im Alter von 17 zog er mit seinem Vater nach Kronberg bei Frankfurt. Dessen neue Ehefrau Ann Kathrin Linsenhoff (63) war 1988 Olympiasiegerin in Seoul und entstammt einer vermögenden Reiterdynastie. Matthias Rath studierte Betriebswirtschaft, machte im Dressursport Karriere, nahm mit der deutschen Equipe an internationalen Championaten teil. Der Öffentlichkeit bekannt wurde der eloquente Reitersmann durch das unter dem Strich unglückliche Zusammenspiel mit dem „Wunderpferd“ Totilas. Das tierische Investment in Höhe von rund zehn Millionen Euro übernahm Ann Kathrin Linsenhoff in Partnerschaft mit Springreitlegende Paul Schockemöhle (79). Nach Krankheiten, Koliken und einer Operation starb Totilas im Dezember 2020. Der damalige Partner Paul Schockemöhle ist in Hamburg nun indirekt ausgebootet. Über seine Stiftung ist Schockemöhle Gesellschafter der Agentur En Garde des scheidenden Derbychefs Volker Wulff. Die Pferdewelt ist klein.

„Als junger Mann habe ich mich damals vom enormen Druck treiben lassen“, bilanziert Matthias Rath am Himmelfahrtstag. „Ich habe viel gelernt und würde im Nachhinein Dinge anders machen.“ Beruflich sattelte er zur Hälfte um: Die von ihm gemanagte Schafshof Connects GmbH, benannt nach dem Pferdebetrieb der Familie in Kronberg, organisiert Reitsportturniere. Beispiele sind Donaueschingen sowie ein Wettstreit in der Frankfurter Festhalle. Und nun Klein Flottbek. Die Hürden des Traditionsturniers liegen erheblich höher.

Der in Lübeck geborene Matthias Alexander Rath mit Ehefrau Franziska.
Der in Lübeck geborene Matthias Alexander Rath mit Ehefrau Franziska. © Witters | Valeria Witters

„Dessen sind wir uns bewusst“, sagt Rath. Andererseits: „So etwas wird man nicht zweimal gefragt.“ Im Januar 2023, also weit vor dem 92. Springderby im Mai des vergangenen Jahres, sei der Norddeutsche und Flottbeker Reiterverein NFR an ihn herangetreten. Bei den ersten Gesprächen sei auch der bald darauf verstorbene Vorsitzende Claus Büttner dabei gewesen. Mehrere Termine endeten am 19. Februar dieses Jahres mit der Vertragsunterzeichnung. Laufzeit: zehn Jahre. „Volker Wulff hat einen großartigen Job gemacht“, sagt Matthias Rath, „und die Latte hoch platziert.“ Man habe über einen harmonischen Übergang verhandelt, allerdings kein Resultat erzielt. Bei dieser von Seiten Raths gestarteten Initiative sei es auch um Geld gegangen, na klar.

Wann Rath loslegen kann, ist noch völlig offen

Wann Rath konkret die Zügel in die Hand nimmt, ist ungewiss. Wenn alles noch schlechter läuft als bisher, werden Juristen das Wort haben. „Selbstverständlich hätten wir gerne jetzt schon Karten für das Derby 2025 verkauft – so wie es üblich wäre“, meint Rath vielsagend.

Mehr zum Thema

Bis Sonntagabend wolle er sich zurück-halten. Dann holt das Ehepaar Franziska und Matthias Rath die Kinder aus Boostedt ab und fährt heim gen Taunus. „Hamburg ist für unser Team eine einmalige Chance“, stellt er klar. Die kommenden Wochen will er nutzen, in der Hansestadt Fuß zu fassen – diplomatisch, sportlich, organisatorisch. Auch versöhnend? „Ich bin ein harmoniebedürftiger Mensch“, sagt Matthias Alexander Rath zum Schluss. „Ich mag keine Missklänge.“