Washington/Berlin. Die USA verhängen Strafzölle gegen China. Wird Europa folgen? Warum dies vor allem für die deutschen Autohersteller schlecht wäre.

Droht Europa bald eine Elektro-Auto-Schwemme, weil die USA den Import der Fahrzeuge in Kürze mit Strafzöllen von 100 Prozent belegen? Wird die Europäische Union ebenfalls Strafzölle gegen China verhängen – und wie stark ist davon die Autoindustrie in Deutschland betroffen? Diese Fragen beschäftigen seit Dienstag die EU-Kommission in Brüssel, die Bundesregierung in Berlin und die Industrie.

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Um die heimische Autoindustrie zu schützen und im Wahlkampf den Rückhalt der mächtigen Autogewerkschaften nicht zu verlieren, hat US-Präsident Joe Biden Peking den Kampf angesagt. Die US-Regierung hat auf zahlreiche chinesische Produkte – darunter Elektroautos, Batterien, Chips und etliche Rohstoffe – die Zölle erhöht. Für Solarzellen, Halbleiter, Hafenkräne und Medizinartikel wie Schutzmasken soll es Zölle zwischen 25 und 50 Prozent geben.

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Am stärksten steigt jedoch der Zollsatz für Elektroautos von aktuell 25 auf 100 Prozent. Damit übertrifft Biden bei Weitem seinen Vorgänger und Wieder-Herausforderer Donald Trump, der bereits chinesische E-Auto-Exporte in die USA massiv erschwert hatte. Ziel der Maßnahme sei es, wichtige US-Industriesektoren, darunter auch die Autoindustrie, zu schützen vor künstlich verbilligten Exporten, so Bidens Wirtschaftsberaterin Lael Brainard. Biden strebe aber ein stabiles Verhältnis zu China an.

China reagierte mit Schärfe und wolle „entschlossene Maßnahmen ergreifen, um seine eigenen Rechte und Interessen zu verteidigen“. Peking lehne einseitige Zollerhöhungen ab, die gegen die Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) verstießen, sagte Außenamtssprecher Wang Wenbin. „Dies wird die Atmosphäre der bilateralen Zusammenarbeit erheblich beeinträchtigen“, warnte das Handelsministerium. Das Außenministerium kündigte an, sich innerhalb der WTO mit allen „erforderlichen Maßnahmen“ gegen die einseitige Tariferhöhung zur Wehr setzen.

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    Das US-Handelsministerium wirft Peking seit geraumer Zeit vor, die globalen Märkte mit künstlich verbilligten Artikeln zu fluten, um im Inland entstandene Überproduktion abzubauen. Die Vereinigten Staaten importierten 2023 Güter im Volumen von 427 Milliarden Dollar aus China, exportierten aber nur 148 Milliarden Dollar dorthin. Laut Wirtschaftsberaterin Brainard stiegen Exporte von chinesischen Elektroautos im vergangenen Jahr um 70 Prozent. Tesla-Chef Elon Musk hatte bereits mehrfach Handelsbeschränkungen gefordert. Andernfalls, so der Multimilliardär, werde China weltweit die meisten Autofirmen „zerstören“. Ein Problem, das für den gesamten Weltmarkt gilt – jedoch in unterschiedlich starker Ausprägung.

    China ist der größte Automarkt der Welt

    Der Schritt der USA verstärkt den Druck auf die EU-Kommission, den europäischen Markt ebenfalls zu schützen. Bislang wurden in der EU noch keine konkreten Zollhöhen genannt – im Gespräch sollen Zölle von bis zu 40 Prozent sein. Wegen der engen Verflechtung der europäischen Autoindustrie mit Peking seien radikale Erhöhungen in der Größenordnung von 100 Prozent „wahrscheinlich nicht darstellbar“, heißt es.

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    Die Herausforderungen sind groß – vor allem für die deutsche Autoindustrie als wichtige Säule der deutschen Wirtschaft. China ist heute der größte Automarkt der Welt. Von den 75,5 Millionen Autos, die 2023 weltweit verkauft wurden, wurden 29 Prozent in China abgesetzt, in der EU sind es nur 14 Prozent. Einige deutsche Hersteller produzieren nicht nur in China Autos, Chinas ist für sie auch ein wichtiger Absatzmarkt.

    „Die deutschen Autobauer hängen von China ab“, sagt der Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer, Direktor des CAR-Instituts (Center Automative Research), dieser Redaktion. „Strafzölle wären das Schlimmste, was deutschen Autoherstellern passieren könnte. Porsche verkauft die meisten und wertvollsten Autos in China. Die Mercedes S-Klasse, die BMW 7er, die großen Audi – alles wird aus Deutschland exportiert und in China verkauft“, so Dudenhöffer. „Gleichzeitig werden der neue E-Smart und E-Mini für Europa in China produziert.“ Wenn die EU China mit Zöllen belege, dann würde dieses mit Gegenzöllen antworten, ist Dudenhöffer überzeugt: „Wir gehen in die Konfrontation, anstatt uns gegenseitig zu verstärken.“

    Deutsche Hersteller sprechen sich gegen Strafzölle aus

    Auch die Verbraucher würden darunter leiden, ist der Autokenner überzeugt. „Durch Zölle wird verhindert, dass preisgünstige E-Autos aus China nach Deutschland kommen.“ In Europa seien E-Autos immer noch rund 10.000 Euro teurer als Verbrennerautos. „Zölle wären auch Strafzölle gegen die Verbraucher und die Elektromobilität“, so Dudenhöffer.

    Tatsächlich bietet China in seinem Heimatmarkt E-Autos deutlich billiger an. So verkauft der Hersteller BYD („Build Your Dreams“) den E-Kleinwagen „Seagull“ (Seemöwe) für rund 12.000 Dollar, der wegen hoher Fertigungsqualität in den USA oder Europa „wahrscheinlich reißenden Absatz finden würde“, sind Brancheninsider sicher.

    Die deutschen Hersteller möchten sich unterdessen dem Wettbewerb mit der chinesischen Konkurrenz stellen. Sie sprachen sich erst bei der jüngsten Chinareise mit Olaf Scholz (SPD) gegen Strafzölle gegen China aus. Bundeskanzler Scholz reagierte auf die jüngsten US-Zollentscheidungen diplomatisch und verwies auf den wechselseitigen Austausch zwischen Europäischer Union und China: „Europäische Hersteller sind erfolgreich auf dem chinesischen Markt und verkaufen auch sehr viele Fahrzeuge, die in Europa produziert werden, nach China“, sagte Scholz. Zudem kämen 50 Prozent der aus China importierten Elektroautos von westlichen Marken, die dort produzieren.