Hamburg. Das Bewegungsprojekt für Senioren des Hamburger Sportbunds und Abendblatt-Vereins gibt es nun auch in stationären Pflegeeinrichtungen

Fred fliegt durch die Luft. Das würfelartige Schaumstoff-Tier landet sicher in den Händen der Seniorin. „Fred?“, fragt diese etwas verwundert und wirft ihn zurück zur Übungsleiterin. „Den hast du doch so getauft!“, antwortet Conny Prinz lachend, während sie den Ball-Ersatz fängt und der nächsten Person im Sitzkreis zuwirft. Die Trainerin und ihre Tochter Carina Prinz vom Bahrenfelder Turnverein leiten die wöchentliche „Mach mit – bleib fit!“-Stunde im Tabea Seniorenheim in Hamburg-Osdorf an.

Das Mutter-Tochter-Gespann ist sehr beliebt bei den rund 20 Seniorinnen und Senioren, die hier regelmäßig teilnehmen. Sie zählen mit zu den ersten Pflegeheim-Bewohnern, die das Angebot in Anspruch nehmen können. Denn „Mach mit – bleib fit!“ wurde zwar bereits vor über zehn Jahren vom Hamburger Sportbund und dem Abendblatt-Verein ins Leben gerufen und findet aktuell in mehr als 80 Seniorentreffs und -wohnanlagen statt. Der offizielle Start in stationären Pflegeeinrichtungen erfolgte jedoch erst in 2023.

Senioren in Hamburg: Mehr Fitness und Lebenslust durch „Mach mit – bleib fit!“

Da die Belange von hochbetagten und pflegebedürftigen Menschen sich durchaus von denen jüngerer Senioren unterscheiden, hatten das Institut für Bewegung der Uni Hamburg, der Hamburger Sportbund und die Tabea Diakonie dem regulären Angebot ein Pilotprojekt vorangeschaltet. Zwölf Wochen turnte eine Gruppe von Bewohnern des Tabea-Pflegeheims unter Anleitung von Trainern, die speziell für die Voraussetzungen und die Förderung von Hochbetagten geschult waren – mit erstaunlichen Ergebnissen: Viele der Senioren hatten nach drei Monaten nicht nur ihren Fitnessstand verbessert, sondern stellten auch eine deutliche Aufhellung ihrer allgemeinen Stimmung fest. Am Anfang des Programms konnten einige nicht aus eigener Kraft von ihrem Stuhl aufstehen. Mittlerweile stellt dies für die meisten kein Problem mehr dar.

„Fred“ haben die Senioren den Schaumstoffwürfel genannt, den sie zwischendurch fangen sollen.
„Fred“ haben die Senioren den Schaumstoffwürfel genannt, den sie zwischendurch fangen sollen. © FUNKE Foto Services | Roland Magunia

Elisabeth Rahn, Mitinitiatorin und Koordinatorin von „Mach mit – bleib fit!“ vom Hamburger Sportbund, konstatiert: „Als Erfolg wird in diesem Alter normalerweise definiert, wenn sich die Fähigkeiten nicht verschlechtern. Hier verbessern sich sogar die Fähigkeiten vieler. In den meisten Bewegungsgruppen wird zu niedrigschwellig gearbeitet. Es muss ein echter Trainingsanreiz gegeben werden.“ Deswegen ist „Mach mit – bleib fit!“ auf der einen Seite auf die Einschränkungen von Senioren im Pflegeheim ausgerichtet, auf der anderen Seite zielt es auf Anreize und Motivation ab: Die Bewegungen werden von einfachen zu komplexeren Abläufen zusammengebaut. So gibt es von Woche zu Woche nicht nur neue Lernanreize, sondern auch neue Erfolgserlebnisse.

Muskelgruppen werden gekräftigt, Mobilität gefördert

Schon innerhalb einer Kursstunde findet eine deutliche Steigerung statt. Nach der Aufwärmrunde mit verschiedenen Wurfgegenständen leiten Conny und Carina Prinz Dehnübungen auf dem Stuhl an, verknüpfen Zahlen mit konkreten Arm- und Beinbewegungen, sodass auch Köpfchen gefragt ist, wenn nur noch die Nummern aufgerufen werden. Verschiedene Muskelgruppen werden gekräftigt, Mobilität gefördert und das Herz-Kreislaufsystem in Schwung gebracht.

„Sensationell!“, ruft Conny Prinz den Senioren immer wieder zu, wenn diese es schaffen, Arme und Beine, Hände und Füße koordiniert zu steuern, rechte Ferse und linken Arm gleichzeitig zu heben, die Knie Richtung Bauch zu ziehen oder Hand und Knie über Kreuz zusammenzuführen. Am Ende steht eine richtig kleine Choreografie, die die Teilnehmer – noch immer sitzend – durchgehen.

Die Trainer haben spezielle Übungsleiterlizenzen und kommen von regionalen Sportvereinen

Zu guter Letzt schaffen es alle Teilnehmer, von ihren Stühlen aufzustehen. Auch wenn drei dafür eine kleine Hilfestellung benötigen, ist dies ein großer Erfolg. Denn die körperlichen und kognitiven Voraussetzungen der Senioren sind ganz unterschiedlich: Von den 18 Teilnehmern heute – darunter 17 Frauen und ein Mann – sitzen zwei im Rollstuhl, sieben haben ihre Rollatoren dabei, einige sind an leichter Demenz erkrankt, andere wiederum geistig fit. Conny Prinz, die die Turnenden mit guter Laune und viel Lob anleitet, ist begeistert von dem Kurs und sagt: „Die Gruppe ist ganz toll. Für uns ist es immer wie nach Hause kommen, es ist ein Geben und Nehmen.“

Hartmut Berndt (Tabea), Angelika Schweiger (Sozialer Dienst Tabea) und Mach mit- bleib fit!“-Projektkoordinatorin Elisabeth Rahn
Hartmut Berndt (Tabea), Angelika Schweiger (Sozialer Dienst Tabea) und Mach mit- bleib fit!“-Projektkoordinatorin Elisabeth Rahn © FUNKE Foto Services | Roland Magunia

Auch Hartmut Berndt, Assistent der Tabea-Einrichtungsleitung, ist beeindruckt von der Entwicklung der Alten und Hochbetagten und sagt: „Die Leute sind mit Begeisterung dabei. Dabei ist das Programm wirklich anspruchsvoll.“ Ausschlaggebend ist das Knowhow der Übungsleiter. Die Trainer, die mindestens eine Übungsleiterlizenz der Stufe zwei brauchen, kommen von regionalen Sportvereinen und werden vom Hamburger Sportbund mit einer Pflegeeinrichtung zusammengebracht, wobei die Situation im Tabea-Heim mit gleich zwei Anleiterinnen eine Ausnahme darstellt. Vor ihrem Einsatz durchlaufen die Übungsleiter eine zusätzliche Schulung zu den speziellen Bedarfen und Bedürfnissen der alten Menschen. Eine Maßnahme, die sich auszahlt! Angelika Schweiger, Leiterin des sozialen Dienstes in der Senioreneinrichtung, sagt: „Der Unterschied zu den hauseigenen Bewegungsangeboten ist die Fachlichkeit von „Mach mit – bleib fit!“

Der Hamburger Sportbund gibt eine Anschubfinanzierung

Hinzu kommt die regelmäßige Rücksprache zwischen Übungsleitern und Pflegeheim-Personal. So sind die Trainer immer auf dem aktuellsten Stand über die gesundheitlichen Voraussetzungen ihrer betagten Kursteilnehmer. Die koordinative Funktion des Hamburger Sportbundes als Kooperationspartners trägt ebenfalls zum Gelingen bei. So wird für den Einsatz der Trainer z.B. berücksichtigt, dass „Mach mit – bleib fit!“ in Seniorenheimen eher vormittags stattfinden sollte, da die Hochbetagten dann noch über mehr körperliche Ressourcen verfügen.

Der Hamburger Sportbund fungiert jedoch nicht nur als Koordinationsstelle, sondern gibt für den Aufbau von neuen „Mach mit – bleib fit!“-Kursen eine Anschubfinanzierung. Die Verstetigung zahlen die Pflegeeinrichtungen über die Sportvereine dann selbst. Einrichtungen, die die Kosten aus eigener Kraft nicht stemmen, können eine Regelförderung beim Hamburger Sportbund beantragen. Aktuell setzen fünf Pflegeheime in Hamburg das Angebot um, eine Expansion ist angestrebt, denn die Erfolge sprechen für sich:

Carina Prinz ist gemeinsam mit ihrer Mutter Übungsanleiterin bei der „Mach mit - bleib fit!“-Stunde im Tabea.
Carina Prinz ist gemeinsam mit ihrer Mutter Übungsanleiterin bei der „Mach mit - bleib fit!“-Stunde im Tabea. © FUNKE Foto Services | Roland Magunia

So litt die Tabea-Bewohnerin Ursula Hilken, 79, nach einem Schlaganfall, unter einer halbseitigen Lähmung. Durch das Training hat sich ihre Bewegungsfähigkeit deutlich verbessert. „Ich kann die Hand jetzt wieder spreizen, eine Faust machen ohne Schmerzen“, berichtet sie. Am liebsten praktiziere sie die Fingerübungen. Die ehemalige Beamtin lebt schon seit zehn Jahren in der Pflegeeinrichtung und vermisst noch immer ihr eigenes Zuhause. „Mach mit – bleib fit!“ ist da ein Lichtblick für sie. „Der Kurs bringt mir Spaß“, resümiert sie.

Senioren in Hamburg: Weitere stationäre Pflegeeinrichtungen können sich anmelden

Auch Inge Hack hatte einen Schlaganfall. Seit drei Jahren sitzt sie im Rollstuhl. Dank „Mach mit – bleib fit!“- und stetigem Üben auf dem Zimmer kann sie ihren Fuß wieder mehrere Zentimeter anheben. „Connys Verdienst“ und „Vorbild“, sagt die 75-Jährige immer wieder, deren Sprachfähigkeiten durch den Schlaganfall eingeschränkt sind, und zeigt immer lächelnd auf Conny Prinz. Denn auch diese hatte nach eigenen Angaben zwei Schlaganfälle. „Ich habe es durch Training und positives Denken geschafft, meine volle Mobilität wiederherzustellen“, sagt die Übungsleiterin. Eine größere Motivation für die Senioren kann es gar nicht geben!

Mehr zum Thema

Pflegeheime, die Interesse an dem Programm haben, können sich an die Projektkoordinatorin Elisabeth Rahn wenden, Tel. 040/ 4 19 08 211, E-Mail: e.rahn@hamburger-sportbund.de