Finkenwerder. Ende der Arbeiten war für Ende Juni geplant. Airbus-Pendler weichen über dörfliche Wohnstraßen aus. Wie es mit der Baustelle weitergeht.

  • Der Stadtteil Finkenwerder im Hamburger Süden ist nach wie vor extrem ländlich geprägt
  • Hier teilten sich einst Bauern und Fischer eine Elbinsel, die im Kern immer gespalten blieb
  • Doch in einem ist man sich inzwischen einig: Die Verkehrssituation ist unerträglich – dank unzähliger Airbus-Pendler, die werktäglich durch Finkenwerder rollen

Diese Baustelle ist des einen Freud, des anderen Leid: Die einen freuen sich, weil ihre Straße plötzlich komplett vom werktäglichen Strom der Airbus-Pendler verschont wird. Die anderen wiederum leiden: Weil sie an jener schmalen Dorfstraße wohnen, durch die nun stattdessen die Blechlawine rollt.

Streng genommen dürfte zwar gar kein Airbus-Pendler eine der beiden Routen durch den dörflichen Part der Elbinsel wählen – extra für sie wurde schließlich vor Jahren schon eine Ortsumgehung gebaut, zur Entlastung und zum Schutz der Menschen im Stadtteil.

Ungeniert tragen Autofahrer Westen und Schlüsselketten mit dem Airbus-Logo

Doch etliche Mitarbeiter schert das offenbar wenig, wie ein schneller Blick ins Innere der vorbeifahrenden Autos immer wieder zeigt: Ungeniert tragen Fahrer und/oder Beifahrer da noch Arbeitswesten oder Schlüsselketten mit dem Logo des Fahrzeugbauers, hupen sich ihren Weg frei oder geben neben Schulkindern auf dem Fahrrad einfach mal Gas.

Verschärft hat eben diese Situation eine Baustelle im Finkenwerder Landscheideweg, die seit August 2023 mit einer Vollsperrung einhergeht. Eigentlich wollte Hamburg Wasser die Arbeiten Ende Juni beenden, nun musste das Unternehmen einräumen: Dieser Zeitplan ist nicht zu halten. Weitere zwei Monate, voraussichtlich bis Ende August 2024, werden Baustelle und damit auch Vollsperrung bleiben – das Wetter hat Hamburg Wasser einen Strich durch die Zeitplanung gemacht.

Reichhaltige Regenfälle im Frühjahr verzögerten die Arbeiten weiter

„Aufgrund der reichhaltigen Regenfälle im Frühjahr dieses Jahres konnten die Arbeiten am Finkenwerder Landscheideweg bedauerlicherweise nicht so zügig wie geplant voranschreiten“, teilte Sprecherin Nicole Buschermöhle auf Abendblatt-Anfrage mit. „Diese erneute Verzögerung bedauern wir sehr.“ Man habe in diesem Fall allerdings keine Wahl und müsse abwarten, bis der Boden die nötige Trockenheit für die zentimetergenauen Arbeiten aufweise.

Ein Blick auf die Baustelle im Finkenwerder Landscheideweg im Februar 2024. Begonnen haben die Arbeiten im August 2023.
Ein Blick auf die Baustelle im Finkenwerder Landscheideweg im Februar 2024. Begonnen haben die Arbeiten im August 2023. © HA | Iris Mydlach

Hamburg Wasser führt seit August 2023 zur Sicherstellung der Abwasserentsorgung Sielbauarbeiten im Landscheideweg durch: Es wird ein neues Pumpwerk errichtet, um gestiegene Abwassermengen weiterhin zuverlässig entsorgen zu können“, erklärt Pressesprecherin Nicole Buschermöhle. „Nach aktuellem Stand gehen wir von einer Fertigstellung Mitte dieses Jahres aus.“

Die Belastung durch Pendlerinnen und Pendler in dem dörflichen Stadtteil wird sich also bis in den Hochsommer ziehen – mindestens. Während die Anwohner im Finkenwerder Landscheideweg – zumindest im Abschnitt zwischen Ostfrieslandstraße und Nikolaikirche – pendlertechnisch immer noch aufatmen, hat sich die Verkehrssituation auf der Strecke Köterdamm/Kirchenaußendeichsweg weiter spürbar verschärft.

Airbus-Pendler verursachen immer wieder brenzlige Situationen

Vor allem an der Fahrbahnverengung neben der Nikolaikirche spielen sich mitunter abenteuerliche Szenen ab. Da an dieser Stelle der Verkehr nur in eine der beiden Richtungen fließen kann, sind alle Verkehrsteilnehmer auf gegenseitige Rücksichtnahme angewiesen – zu den Airbus-Rushhour-Zeiten offenbar ein Ding der Unmöglichkeit.

Das Nachsehen haben meist Schulkinder, die morgens mit dem Fahrrad zur Grundschule Westerschule fahren und ausweichen müssen, wenn sich die Fahrzeugkolonnen von beiden Seiten hupend gegenüberstehen. Eltern, die mit ihren Kindern zur direkt am Nadelöhr gelegenen Kita müssen, sind ebenfalls genervt – und zunehmend besorgt.

Ein fachgerechter Aufbau der Betonschächte war im nassen Winter nicht möglich

Ursprünglich war das Ende der Bauarbeiten im Finkenwerder Landscheideweg für Ende 2023 geplant. „Aufgrund der zu kalten und zu regnerischen Witterung in den letzten Monaten war ein fachgerechter Aufbau der Betonschächte leider nicht möglich, so die Pressesprecherin: „Wir danken den Menschen vor Ort für ihre Geduld“, hieß es schon im Februar.

Hans-Paul Jonas (r.) mit Pedro Freire Duarte, neuer Chef der Gärtnerei Jonas am Finkenwerder Landscheideweg. Die Umsätze der Gärtnerei sind seit Beginn der Vollsperrung um rund 50 Prozent eingebrochen..  
Hans-Paul Jonas (r.) mit Pedro Freire Duarte, neuer Chef der Gärtnerei Jonas am Finkenwerder Landscheideweg. Die Umsätze der Gärtnerei sind seit Beginn der Vollsperrung um rund 50 Prozent eingebrochen..   © HA | Iris Mydlach

„Im Zuge der Arbeiten wurde eine Baugrube ausgehoben, um Schächte im Erdreich zu verbauen. Diese Schächte werden aus Beton hergestellt, der gemäß technischem Regelwerk eine längere Trocknungszeit benötigt, um vollständig auszuhärten und langjährig beständig zu sein“, sagt Nicole Buschermöhle. Dafür brauche es trockene Wetterbedingungen und Mindesttemperaturen über einen längeren Zeitraum hinweg. Also in diesem Fall: jede Menge Geduld.

Die muss aktuell vor allem Pedro Freire Duarte haben. Der neue Chef der Finkenwerder Gärtnerei Jonas verzeichnet seit Beginn der Straßensperrung einen Umsatzeinbruch von 50 Prozent.

Warum informiert niemand die betroffenen Anwohner direkt?

Der Betrieb liegt in Sichtweite der Baustelle und muss seit vergangenem Herbst ohne Durchgangsverkehr von Pendlern und Einheimischen auskommen. Vor allem rund um die Erntezeit im Herbst und zu Totensonntag habe sich das bemerkbar gemacht, sagte Senior-Chef Hans-Paul Jonas im Februar.

Verärgert sind Pedro Freire Duarte und Hans-Paul Jonas allerdings nicht über die Bauarbeiten an sich, „die nun mal sein müssen, da kann ja keiner was für“, sagt Jonas. Doch niemand würde die Anwohner darüber informieren. Früher habe man wenigstens mal eine Wurfsendung im Briefkasten gehabt, auf der die Maßnahmen erklärt und Verzögerungen angekündigt worden seien. „Aber heute steht das ja nicht einmal mehr auf den Schildern.“